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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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getäuscht hatte. Er hatte geglaubt, die Schritte wären hinter ihm, aber der Verfolger war gar kein Verfolger gewesen, sondern er hatte auf ihn gewartet.
    Jan war nicht einmal sicher, ob es vernünftig war, aber er kämpfte die Bewußtlosigkeit noch einmal nieder und zwang die tobenden schwarzen Schleier vor seinen Augen, sich dahin zurückzuziehen, woher sie gekommen waren. Nicht alle gehorchten ihm. Ein Teil der Finsternis blieb und floß zu einer riesigen, dunklen Gestalt zusammen, die drohend über ihm emporragte. Obwohl er ihr so nahe war, daß er nur den Arm zu heben bräuchte, um sie zu berühren, konnte er sie nicht wirklich erkennen. Es konnte ein schlanker, sehr großer Mann sein, der einen knöchellangen Mantel und einen altmodischen Dreispitz trug, ebensogut aber auch eine mannsgroße Fledermaus, oder vielleicht wirklich nur ein Schatten; etwas, das seine Phantasie erschuf, weil das, was wirklich über ihm stand,so gräßlich war, daß sein Verstand durch den bloßen Anblick zerbrochen wäre.
    Die Gestalt schwankte leicht hin und her. Der Geruch nach verbranntem Fleisch war mittlerweile so stark geworden, daß Jan kaum noch atmen konnte, und Jan war inzwischen sicher, daß er von dem unheimlichen Wesen ausging.
    Er versuchte aufzustehen, aber der Schatten versetzte ihm einen Tritt, der ihm nicht nur die Luft aus den Lungen trieb, sondern auch wie eine Nova in seinen gebrochenen Rippen explodierte. Er mochte aussehen wie ein Schatten, aber er trat zu wie ein Pferd.
    »Was … was wollen Sie von mir?« brachte Jan hervor. Er preßte die linke Hand gegen seine schmerzenden Rippen und streckte die andere abwehrend gegen die unheimliche Gestalt aus. »Wer sind Sie?«
    »Du hättest nicht herkommen sollen, du Narr«, antwortete der Fremde. Seine Stimme war ebenso unwirklich wie seine Erscheinung. Jan war nicht einmal sicher, ob er sie wirklich hörte oder ob sie direkt in seinem Kopf entstand. Sie zitterte und klang flach, als hätte ihr Besitzer große Mühe, die Worte überhaupt auszusprechen.
    »Ich verstehe nicht«, murmelte Jan. »Wer sind Sie? Ich, ich kenne Sie doch gar nicht!«
    Der Fremde machte eine Bewegung, die Jan glauben ließ, daß er erneut nach ihm treten oder gar schlagen wollte. Er zog den Kopf zwischen die Schultern und riß instinktiv die Arme vor das Gesicht, und seine Hände berührten dabei die Gestalt und glitten einfach durch sie hindurch .
    Der Mann taumelte. Jan hatte nicht einmal eine Berührung gespürt, allenfalls etwas wie einen flüchtigen Kältehauch, aber der Dunkle schien seine Berührung durchaus gefühlt zu haben, so wie Jan umgekehrt den Fußtritt, dessen Nachwirkungen seine Rippen immer noch schmerzen ließen. Er wankte einenSchritt zur Seite, prallte gegen die Wand und fand sein Gleichgewicht schwankend wieder. Jan glaubte ein Stöhnen zu hören, war aber nicht ganz sicher. Dann wurde das Gesicht des Unheimlichen für einen Moment deutlicher.
    Genauer gesagt: Das, was einmal ein Gesicht gewesen war.
    Jan wußte plötzlich, woher der Gestank von verbranntem Fleisch kam.
    Das Gesicht des Mannes war eine einzige, nässende Wunde. Wenn er einmal Haare gehabt hatte, dann waren sie zu schwarzer Schlacke verbrannt, die halb mit seiner Kopfhaut verschmolzen waren. Sein Gesicht war von Flammen und Hitze so entstellt worden, daß die Augen darin wie schwarze Krater erschienen, in denen etwas brodelte, was verzweifelt versuchte, Leben vorzutäuschen. Die Lippen in diesem gräßlichen Gesicht waren weggebrannt, so daß die Zähne wie zu einem immerwährenden Totenkopf-Grinsen gebleckt waren, und als der Unheimliche weitersprach, konnte Jan nicht mehr anders, als die Hände herunterzunehmen und die höllische Erscheinung anzustarren.
    »Gefällt dir, was du siehst?« krächzte der Fremde. Er hob die Hände, und für einen noch kürzeren Moment schienen sie Substanz zu gewinnen, so daß er auch sie deutlich erkennen konnte. Trotz des eisigen Grauens, das ihn gepackt hatte und nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Gedanken lähmte, begriff er, daß der Fremde wollte , daß er ihn sah.
    »Gefällt es dir?« fragte er noch einmal. »Sieh es dir gut an! Das hast du mir angetan! Du und diese Schlampe! Ich hoffe, du bist stolz darauf, denn du wirst einen verdammt hohen Preis dafür bezahlen!«
    Jan hörte die Worte, aber er verstand nicht, was sie bedeuteten.
    Die unheimliche Gestalt ließ sich vor Jan in die Hocke sinken, packte plötzlich zu und riß ihn mit einer Kraft in

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