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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte er jetzt Licht. Der Stock würde sicherlich gut zehn Minuten lang brennen, vielleicht länger. Das mußte reichen, um hier herauszukommen. Wer immer hier unten lebte, würde sein Lager kaum in der Mitte dieses unterirdischen Labyrinths aufschlagen.
    Er ging weiter in die ursprüngliche Richtung. Jetzt wo er Licht hatte und wußte, wonach er suchte, kam er nicht nur schneller voran, sondern fand auch immer mehr Spuren der Bewohner dieser chthonischen Welt: Er entdeckte zwei weitere Alkoven und einen sehr viel größeren Raum. Alle drei Höhlen zeigten deutlich Anzeichen menschlicher Bewohner. Jan verzichtete aber auf eine gründliche Untersuchung. Er wollte nur noch hier raus.
    Dann und wann blieb er stehen und lauschte. Er hörte nochimmer diese sonderbaren, nicht genau zu definierenden Geräusche, aber keine Schritte mehr. Im unsicheren, zuckenden Licht seiner improvisierten Fackel folgte er dem Gang – dessen Länge ihn immer mehr in Erstaunen versetzte –, ohne die Tunnel, die in unregelmäßigen Abständen nach rechts und links abzweigten, zu beachten. Er wollte das Geheimnis dieses unterirdischen Labyrinths nicht lösen, wenigstens nicht jetzt. Er wollte nur noch hier raus, zurück in die Wirklichkeit, in die Welt, die er kannte und in der er leben konnte.
    Nach einer Ewigkeit – dem Zustand seiner heruntergebrannten Fackel nach ungefähr fünf Minuten – fand er endlich, wonach er die ganze Zeit über gesucht hatte: eine Treppe, die in steilem Winkel nach oben führte. Hätte es Blut auf den ausgetretenen Steinstufen gegeben, dann hätte es durchaus die Treppe sein können, über die er hier heruntergekommen war. Und Jan fragte sich einen Moment lang ernsthaft, was er tun sollte, wenn er an ihrem oberen Ende nichts als eine weitere verschlossene Tür fände. Aber dieses Problem sollte er vielleicht besser lösen, wenn es sich ihm stellte.
    Hinter ihm raschelte etwas.
    Jan fuhr herum und hob seine improvisierte Fackel. Für einen Augenblick, einen winzigen Moment nur, glaubte er eine geduckte Gestalt zu erkennen, die hastig davonhuschte. Vielleicht war ihm der Junge gefolgt. Vielleicht auch etwas anderes. Wahrscheinlich war er auch einfach nur übernervös und sah genau die Dinge, die er zu sehen erwartete.
    Er ging die Treppe hinauf und stellte schon nach den ersten Schritten fest, daß es ganz eindeutig nicht die gleiche Treppe war, über die er herabgekommen war. Die Stufen waren ebenso alt und ausgetreten, schienen aber nicht annähernd so massiv zu sein.
    Als er ungefähr die Hälfte der Treppe hinter sich hatte, brach eine ganze steinerne Stufe unter seinem Gewicht herausund stürzte in die Tiefe. Jan prallte mit einem entsetzten Keuchen zurück, preßte sich mit dem Rücken gegen die Wand und wartete mit angehaltenem Atem darauf, daß der Boden unter ihm nachgab und er in einem Hagel aus Steintrümmern in die Tiefe stürzte.
    Es geschah nicht. Der Stein bröckelte hörbar unter seinem Gewicht, aber er hielt, und nach einigen weiteren Augenblicken wagte Jan es auch, wieder tief durchzuatmen und die Augen zu öffnen.
    Die Stufe, auf der er gerade gestanden hatte, hatte sich ungefähr zur Hälfte aufgelöst. Er konnte keinerlei Trümmer erkennen. Der herausgebrochene Stein war senkrecht in die Tiefe gestürzt, und aus dem entstandenen Loch drang ein flackernder, rötlicher Lichtschein hervor.
    Jan wich rasch wieder zwei Stufen nach unten zurück, ließ sich auf Hände und Knie sinken und kroch mit klopfendem Herzen zum Rande des rechteckigen Loches.
    Was er sah, ließ ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Atem stocken.
    Unter ihm lag eine gewaltige, offensichtlich von Menschenhand gemauerte Höhle. Boden und Wände bestanden aus dem gleichen, roh vermauerten Stein, wie die Gänge, durch die er bisher gelaufen war, und das rote Licht stammte von Dutzenden kleiner und größerer Feuer, die in unregelmäßigen Abständen auf dem Boden brannten.
    Das Erstaunlichste aber waren die Menschen.
    Jan wagte nicht einmal, ihre Anzahl zu schätzen. Es mochten Dutzende sein, ebensogut aber auch Hunderte. Sie saßen in kleineren oder größeren Gruppen an den Feuern, bewegten sich hin und her oder taten Dinge, die er über die große Entfernung nicht erkennen konnte. Hätte es Häuser gegeben, hätte er das Gefühl gehabt, auf eine regelrechte Stadt hinabzublicken.
    Der Stein, auf dem er kniete, knirschte hörbar, und Jan zog sich hastig ein Stück zurück. Praktisch gleichzeitig glaubte er, auch hinter sich

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