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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Treppe zu.
    Wie er gehofft hatte, führte sie nach oben, aber nicht ins Freie. Vielmehr fand er sich in einer riesigen, vollkommen verwüsteten Halle, deren Decke gute fünf oder sechs Meter hoch war und von einer Unzahl rechteckiger Stützpfeiler aus Beton getragen wurde. Schutt und Trümmer verwandelten den Raum in ein einziges, unüberblickbares Chaos. Das blasse Licht kam von links. Der Großteil der Wand auf dieser Seite fehlte.
    Er wußte jetzt, wo er war. Der unterirdische Gang hatte ihn ins Kellergeschoß des alten Horten-Gebäudes geführt. Er hatte ungefähr richtig gelegen, was die Entfernung betraf, aber vollkommen falsch in der Richtung.
    Nichts davon spielte jetzt eine Rolle. Er war frei, und alles, was ihn interessierte, war, auch diese Bauruine zu verlassen und so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Er wollte nicht mehr begreifen, was er gerade erlebt hatte. Er wollte auch nicht mehr wissen, wer der Unheimliche gewesen war und wer ihn verjagt hatte oder warum. Er wollte nur noch hier raus und diesen ganzen Irrsinn vergessen.
    Der Entschluß war allerdings leichter gefaßt als in die Tat umgesetzt. Das Innere des ehemaligen Kaufhauses war für sich genommen schon ein einziger, gewaltiger Irrgarten, der noch dazu mit Stolpersteinen und gemeinen Fallen nur so gespickt war. Er rannte ein halbes dutzendmal gegen verborgene Hindernisse, vertrat sich den Fuß und schlug sich das Schienbein blutig, bevor er endlich den Ausgang erreichte. Nachdem er wieder nach oben gekommen war, war es ihm hier drinnen geradezu hell vorgekommen, aber realistisch betrachtet, reichte das bißchen Licht, das von draußen hereinfiel, kaum aus, um die sprichwörtliche Hand vor Augen zu sehen. Und daß er krampfhaft die Hand auf das linke Auge preßte, erleichterte auch nicht gerade den Überblick. Als es Jan endlich gelungen war, das Gebäude zu verlassen und auch noch die Plastikfolie und den Bauzaun zu überwinden, war er nicht nur vollkommen erschöpft, sondern auch so verdreckt und mitgenommen, als hätte er eine Schlägerei hinter sich.
    Fünf Minuten später erreichte er den Wagen und schob mit zitternden Fingern den Schlüssel ins Zündschloß. Auch auf dem Rückweg war ihm keine Menschenseele begegnet. Aber diesmal war er sehr froh darum.
     
    Es war nach zehn, als er nach Hause kam. Mit Ausnahme seiner eigenen Wohnung waren alle Fenster im Haus dunkel, was wahrscheinlich bedeutete, daß alle schon schliefen und er keinem der anderen Hausbewohner begegnen würde. Gut. Jans Verhältnis zu den anderen Mietern hier existierte praktisch nicht, aber er wußte natürlich, daß sie hinter seinem Rücken über ihn redeten. Ein junger Mann, der keiner erkennbaren geregelten Arbeit nachging und trotzdem gut genug situiert war, sich einen nicht allzu schlichten Lebenswandel und seinen regelmäßigen Jahresurlaub zu leisten – das war allemal Grund genug zum Tuscheln und Tratschen.
    Jan gab normalerweise einen feuchten Dreck darum, aber heute wäre es ihm sehr unangenehm gewesen, einem seiner Nachbarn zu begegnen.
    Jan war der Meinung gewesen, sich mittlerweile wenigstens halbwegs beruhigt zu haben und dem Gespräch mit Katrin relativ guten Mutes entgegensehen zu können, aber als er die Tür aufmachen wollte, zitterten seine Hände so stark, daß er den Schlüsselbund fallen ließ. Er bückte sich hastig danach, schloß auf und eilte mit raschen Schritten durch die Diele ins Bad. Im Vorübergehen warf er einen Blick ins Wohnzimmer und sah, daß Vera und Katrin nebeneinander auf der Couch saßen. Sie waren offensichtlich bester Laune und tranken Wein. Eine zweite, leere Flasche stand auf dem Tisch.
    Katrin blickte hoch, als sie seine Schritte hörte, und schien etwas sagen zu wollen, aber er ging rasch vorbei und schloß die Badezimmertür hinter sich ab. Als er den Warmwasserhahn aufdrehte, wurde die Klinke heruntergedrückt.
    »Jan?« Katrins Stimme drang nur gedämpft durch die Tür, aber er konnte die Überraschung darin trotzdem deutlich hören. »Ist alles in Ordnung? Wieso schließt du die Tür ab?«
    »Es ist alles okay«, antwortete Jan. »Ich hatte einen kleinen Unfall, aber es ist nicht schlimm.«
    »Einen Unfall? O Gott! Mach sofort die Tür auf!«
    Jan begann sein Hemd aufzuknöpfen. »Ich sagte doch: Es ist nicht schlimm! Tu mir einen Gefallen und bring mir ein sauberes Hemd.«
    »Jan! Mach sofort die Tür auf!« befahl Katrin. Sie rüttelte zornig an der Tür, und Jan fügte hinzu: »Und vielleicht auch eine

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