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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vorsatz halten.
    Aber er hatte sich auch noch etwas anderes vorgenommen, etwas, das er bisher nicht eingelöst hatte. Vielleicht war jetztder richtige Moment dafür. Es spielte keine Rolle, daß ihm klar war, daß Katrin ihm nicht glauben würde. Er mußte es ihr sagen und ihr Zeit geben, über das Gehörte nachzudenken.
    »Ich habe sie nicht hinausgeworfen«, sagte er, bestimmt, aber so ruhig es ging. »Aber wir sollten trotzdem miteinander reden.«
    »Worüber?« fragte Katrin mißtrauisch.
    »Über das, was mir passiert ist. Über gestern abend.« Er deutete auf sein geschwollenes Auge. »Es gibt da ein paar Dinge, die ich dir noch nicht erzählt habe.«
    Katrin sah ihn eine kurze Weile durchdringend an, dann hob sie die Schultern und drehte sich mit einem Seufzen zur Küchentür. »Das klingt nach einer längeren Geschichte«, sagte sie. »Ich denke, ich koche uns einen Kaffee.«
    Katrin schien es wirklich ernst gemeint zu haben. Ungeachtet ihrer Beschwerde, wie wenig Stunden ihr noch zum Schlafen blieben, setzte sie nicht nur Kaffee auf, sondern bereitete auch noch einige belegte Brote zu; Jan konnte hören, wie sie die Kühlschranktür öffnete und kurz darauf die elektrische Brotmaschine surrte, dann drang das Kratzen des Messers in der fast leeren Butterdose an sein Ohr – seltsam, wie scharf seine Sinne plötzlich zu sein schienen. Nachdem er das Reich der Dämmerung einmal berührt hatte, nahm er Dinge wahr und stellte Zusammenhänge her, auf die er sich bisher bewußt hätte konzentrieren müssen. Auch kam es ihm vor, als verstriche die Zeit langsamer – nein, sie verstrich nicht langsamer, er nahm viel mehr Details in der gleichen Zeitspanne wahr, so daß sie ihm ausgefüllter und länger vorkam.
    Katrin blieb insgesamt nur vier oder fünf Minuten in der Küche, aber es schien eine kleine Ewigkeit zu sein. Als sie – wortlos, aber mit einem schrägen Blick in seine Richtung – wieder herauskam und im Schlafzimmer verschwand, da konnte er hören, wie ihr Nachthemd raschelte, einen Moment späterdas andere, wärmere Geräusch, mit dem sie in Jogginghose und Pullover schlüpfte. Jan dachte einige Augenblicke überrascht über diese neue, sonderbare Klarheit nach, mit der er die Welt und alles um sich herum wahrnahm. Er hatte nicht gewußt, daß Schmerz die Sinne so sehr schärfte.
    »Also?« Katrins Stimme drang zwar nur gedämpft aus der offenstehenden Schlafzimmertür heraus, aber ihr scherzhafter Ton vermochte trotzdem die Anspannung nicht ganz zu verhehlen, unter der sie stand. »Was hast du mir nun so Spannendes zu beichten?«
    Jan war sicher, daß sie ganz bewußt bisher herumgetrödelt hatte, einfach, um Zeit zu gewinnen – vielleicht, weil sie spürte, daß das, was er ihr zu beichten hatte, ernst war. Und, daß es ihr nicht gefallen würde.
    Er bedauerte plötzlich, das Thema angeschnitten zu haben, war aber zugleich auf einer anderen, tieferen Ebene seines Bewußtseins froh. Mit einem Male war ihm klar, daß es ihm gar nicht darum ging, ob sie ihm glaubte oder nicht. Er mußte einfach mit irgend jemandem über das Unheimliche reden, das er erlebt hatte.
    Gerade als er dazu ansetzen wollte, fiel die Wohnungstür ins Schloß, und schnelle, harte Schritte näherten sich. Jan fuhr so erschrocken herum, daß er fast die Kamera fallengelassen hätte und machte dann ganz instinktiv einen Schritt zur Seite, als Vera an ihm vorbeistürmte und, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, das Bad ansteuerte. Irgend etwas stimmte nicht mit ihr. Ihr Haar war noch zerzauster als sonst, und etwas Dunkles, Geronnenes – etwa Blut? – klebte darin. Sie trug eine billige schwarze Lederjacke, die Jan mit leichter Überraschung als Katrins erkannte, die jetzt aber über der rechten Schulter zerrissen war. Und auch ihre Jeans waren verdreckt. Ihre Schritte waren schnell, kamen Jan aber ein ganz kleines bißchen unsicher vor.
    »He!« rief er. »Was ist los?«
    Vera verschwand ohne ein Wort im Bad und knallte die Tür hinter sich zu, und aus dem Schlafzimmer antwortete Katrin: »Nichts. Ich bin gleich da.« Offensichtlich hatte sie weder das Geräusch der Tür noch Veras Schritte gehört und dachte, Jan spräche mit ihr. Er konnte hören, wie sie unter dem Bett herumkramte, wahrscheinlich, um ihre Schuhe zu suchen, die sie völlig achtlos daruntergeschossen hatte. Jan antwortete nichts darauf, um den Irrtum aufzuklären, sondern legte die Kamera aus der Hand und folgte Vera.
    Ohne anzuklopfen, riß er die

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