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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sicher, daß es Vera Schmerzen bereitete. Sie ließ die Prozedur jedoch klaglos und ohne auch nur eine Miene zu verziehen über sich ergehen und bedankte sich schließlich mit einem angedeuteten Kopfnicken bei Katrin. Dann wies sie mit einer Kopfbewegung auf das Chaos aus achtlos hingeworfenen Kleidungsstücken, das den Boden bedeckte.
    »Das mit der Lederjacke tut mir leid«, sagte sie. »Ich werde sie dir ersetzen.«
    »Unsinn!« Katrin machte eine ärgerliche Geste. »Ich habe das Ding seit Jahren nicht mehr getragen. Erzähl mir lieber, was passiert ist.«
    »Nichts«, antwortete Vera. »Ein … dummer Unfall. Ich war selbst schuld.«
    »Woran?« wollte Jan wissen.
    Vera grinste schief und wurde sofort wieder ernst. »Frag mich bitte nicht. Ich habe mich so ungeschickt angestellt, daß es mir peinlich ist, darüber zu reden. Es ist mir peinlich. Und es ist auch nicht der Rede wert. Nur ein Kratzer.«
    »Ein Kratzer?« ächzte Katrin.
    »Ich habe schon Schlimmeres überlebt«, antwortete Vera.
    Jan wollte eine entsprechende Bemerkung machen, doch in diesem Moment fiel ihm etwas auf. Vera hatte die Hände zwar unter den Wasserstrahl gehalten, sie sich aber nicht gründlich gewaschen. Auch ihre Finger waren voller Blut. Die Haut über den Knöcheln war an einigen Stellen aufgeplatzt, und unter ihren Nägeln war schwarz eingetrocknetes Blut zu sehen.
    Vera folgte seinem Blick. Sie unterdrückte zwar perfekt jede Reaktion, drehte sich aber gleich darauf wie zufällig wieder zum Waschbecken um und griff nach Seife und Nagelbürste.
    »Ich bringe dir einen Pullover von mir«, sagte Katrin. »Wenn du fertig bist, dann komm einfach raus zu uns. Ich habe gerade Kaffee gekocht, und du siehst aus, als könntest du eine Tasse gebrauchen.«
    Sie trat an Vera vorbei, legte Jan die flachen Hände vor die Brust und stieß ihn mit mehr Nachdruck zurück, als nötig gewesen wäre. »Und du starrst gefälligst woanders hin«, sagte sie, zwar grinsend, aber in einem Ton, der nicht annähernd so scherzhaft war, wie er klingen sollte.
    Sie schob die Tür mit dem Fuß hinter sich zu und dirigierteJan beinahe gewaltsam zum Tisch. Sie hatte bereits zwei Tassen und einen Teller mit Schinkensandwiches aufgetragen und verschwand nun in der Küche, um mit einem dritten Gedeck zurückzukommen.
    »Wir hätten doch einen Arzt rufen sollen«, sagte sie. »Ihr Arm sieht wirklich schlimm aus.«
    »Du hast doch gehört, was sie gesagt hat«, sagte Jan. »Es ist nur ein Kratzer.«
    Katrin schenkte sich Kaffee ein und funkelte ihn an. »Wenn man dir so zuhört, könnte man glauben, daß es dir Spaß macht«, sagte sie.
    »Es macht mir keinen Spaß, ständig belogen zu werden«, sagte Jan. »Von wegen Unfall! Hast du ihre Hände gesehen?«
    »Nein«, sagte Katrin. »Warum?«
    »Du hättest sie dir ansehen sollen«, antwortete Jan. »Unter ihren Fingernägeln war Blut. Wenn du mich fragst, dann hat sie mit jemandem gekämpft.«
    »Gekämpft?« Katrin nickte, ließ zwei oder drei Sekunden verstreichen und begann dann in ihrem Kaffee zu rühren, obwohl sie bisher weder Zucker noch Milch hineingetan hatte. »Natürlich. Warum bin ich nicht gleich von selbst darauf gekommen? Vermutlich lauert sie draußen hilflosen Rentnern und kleinen Kindern auf, die leichtsinnig genug sind, nach Dunkelwerden das Haus zu verlassen.«
    »Ich meine es ernst«, sagte Jan. »Mit diesem Mädchen stimmt was nicht. Wir hätten sie niemals hereinlassen sollen.«
    »Du meinst, weil man Hexen niemals in sein Haus bitten darf«, pflichtete ihm Katrin mit ernstem Gesicht zu. »Das stimmt. Ich habe einfach nicht daran gedacht. Es tut mir leid.«
    »Es war ein Fehler«, fuhr Jan unbeirrt fort.
    Das spöttische Funkeln in Katrins Augen erlosch wie abgeschaltet. »Der einzige, mit dem etwas nicht stimmt, bist du«, sagte sie. Sie hörte auf, in ihrer Tasse herumzurühren, und sahihn ernst und mit einer Mischung aus Sorge und ehrlichem Mitgefühl an. »Es wundert mich fast, daß dir nicht schon selber auffällt, wie du dich anhörst.«
    »Du meinst: nervös?« Jan nickte grimmig. »Ich habe allen Grund dazu.«
    »Ich meine: paranoid«, antwortete Katrin. »Ich gestehe ja gerne ein, daß Vera uns vermutlich das eine oder andere nicht erzählt hat. Aber das muß sie auch nicht. Es ist ihr Leben, weißt du? Sie ist uns gegenüber zu nichts verpflichtet.«
    »Stimmt«, sagte Jan. »So wenig wie wir ihr gegenüber.«
    Katrin warf einen Blick auf die geschlossene Badezimmertür, als hätte sie

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