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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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übrigen Räume der Wohnung. Mit dem gleichen Ergebnis: Vera war nicht mehr da.
    Er ging nicht so weit, im Schrank, unter der Couch oder in irgendwelchen anderen albernen Verstecken nachzusehen, aber es blieb dabei: Sie war fort.
    Die Schlafzimmertür ging auf, und Katrin kam heraus. Sie wirkte benommen. Ihre Augen waren verquollen, offensichtlich hatte er sie direkt aus einer Tiefschlafphase gerissen.
    »Was … ist denn los?« murmelte sie, während sie sich mit der linken Hand über die Augen fuhr und die rechte vor den Mund hielt, um ihr Gähnen zu verbergen.
    »Nichts«, antwortete Jan. »Ich konnte nicht schlafen, und da …« Er schwieg eine halbe Sekunde und hob mit einem Achselzucken und einem verlegen gespielten Grinsen die Kamera. Ohne den Satz zu Ende zu führen, visierte er Katrin an und machte rasch hintereinander drei Aufnahmen.
    Sie schien wirklich noch nicht richtig wach zu sein, denn sie nahm die beiden ersten Blitze gar nicht zur Kenntnis und hob erst beim dritten schützend die Hand über die Augen. »Laß das«, sagte sie ärgerlich. »Du weißt doch genau, daß ich das nicht mag.«
    »Entschuldige.« Jan ließ die Kamera sinken. »Es tut mir leid, daß ich dich geweckt habe. Das wollte ich nicht.«
    »Schon gut«, antwortete Katrin. »Wie spät ist es denn?« Sie sah auf die Uhr. »O Gott. Ich muß in sechs Stunden schon wieder aufstehen, und ich –«
    Sie stockte mitten im Wort, und als Jan ihrem Blick folgte, konnte er gerade noch ein erschrockenes Zusammenzucken unterdrücken.
    Die Tür zu seinem Arbeitszimmer stand weit auf, und dahinter brannte Licht.
    Katrin sagte nichts, sondern sah abwechselnd die offenstehende Tür und ihn an, und er konnte regelrecht sehen, wie sich hinter ihrer Stirn eine Reihe kleiner, emsig arbeitender Zahnräder in Bewegung setzten, die immer schneller ineinander griffen und Weichen und Signale stellten, über die ihre Gedanken preschten; in eine Richtung, in die er lieber gar nicht erst folgen wollte.
    »Sie ist nicht mehr da«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Sie ist nicht mehr da.« Jan deutete auf die offenstehende Tür. »Unser Hausgast ist offensichtlich ausgezogen. Frag mich nicht warum.«
    Aus dem angedeuteten Zweifel in Katrins Augen wurde blankes Mißtrauen. Sie sagte nichts, sondern ging an ihm vorbei und in Veras Zimmer, um sich dort mit einer Gründlichkeit umzusehen, die der Winzigkeit des Raums spottete. Noch immer wortlos kam sie wieder heraus, ging in die Küche und zwei Sekunden später ins Bad. Jan konnte hören, wie sie den Duschvorhang beiseite schob.
    »Spar dir die Mühe, den Klodeckel hochzuheben«, rief er. »Ich habe sie nicht darin ertränkt.«
    Katrin antwortete nicht, aber als sie zurückkam, war auch noch die letzte Spur von Müdigkeit aus ihrem Gesicht verschwunden. »Was hast du gemacht?«
    »Ich habe nichts gemacht .« Jan verstand nicht.
    Katrin deutete mit einer ärgerlichen Geste auf die offenstehende Tür. »Was hast du dort drinnen gesucht?«
    »Nichts«, log Jan. Er hatte mittlerweile Zeit genug gehabt, diese Frage vorauszusehen und sich eine passende Ausrede zurecht zu legen. »Ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört.«
    »Ein Geräusch?«
    »Ich dachte, ich hätte sie geweckt und wollte mich bei ihr entschuldigen«, sagte Jan.
    Katrin glaubte ihm kein Wort, und sie machte kein Hehl daraus. »Du hast sie rausgeworfen.«
    »Wie kommst du darauf?« fragte Jan empört. Er war im Laufe des Abends mehr als einmal nahe daran gewesen, genau das zu tun, ohne Katrin auch nur zu fragen, aber er hatte es eben nicht getan, größtenteils aus Rücksicht auf sie. Daß sie ihm nun unterstellte, seinen Willen hinter ihrem Rücken durchgesetzt zu haben, um sie vor vollendete Tatsachen zu stellen, ärgerte ihn.
    »Du hättest wenigstens bis morgen früh warten können«, sagte Katrin. »Mein Gott, es ist Mitternacht. Es ist kalt und dunkel. Hast du ihr wenigstens Geld für ein Hotelzimmer gegeben?«
    »Nein, das habe ich nicht getan«, antwortete Jan, nur noch mühsam beherrscht. »Vielleicht hätte ich es getan, aber ich bin nicht dazu gekommen.«
    Katrin fuhr fort, als hätte er diese Worte gar nicht gesagt: »Wie hast du es gemacht? Hast du sie beschuldigt, deine blöden Negative gestohlen zu haben?«
    Jan schloß die Augen und zählte in Gedanken bis fünf. Er hatte sich früher an diesem Tag fest vorgenommen, sich nicht mit Katrin zu streiten, ganz egal, was geschah, ganz egal, was sie sagte oder tat, und er würde sich an diesen

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