Dunkel ist die Sonne
darin, daß du, wenn du blind und deines hohen Ranges beraubt worden wärst, dich nicht so gut angepaßt hättest. Wenn du dich schon in deiner gegenwärtigen Lage so sehr beklagst, nach Rache schreist, was hättest du dann erst an ihrer Stelle getan?“
„Wir reden hier nicht über Möglichkeiten“, sagte der Yawtl, „wir reden über Tatsachen!“
„Es gibt Dinge, die nicht eigentlich wirklich sind“, entgegnete der Archkerri. „Sie scheinen nur wie Tatsachen, weil das Individuum meint, daß sie es sein müßten. Für das Individuum selbst müssen sie es sein. Aber ich möchte dich etwas fragen. Hast du überhaupt nicht die Fähigkeit, dich in ihre Lage zu versetzen?“
„Das Scheusal!“ erwiderte Hoozisst nur.
Sloosh hob die Hände und sagte: „O Shemibob, sprich du mit ihm.“
„Das wäre sinnlos“, sagte die Shemibob. „Ich glaube jedoch, daß die Menschen genug für sie gesprochen haben, wenn auch nur von einem utilitaristischen Standpunkt aus. Sie besitzen aber zweifellos ein gewisses Einfühlungsvermögen. Obwohl die Einfühlung auch gefährlich sein kann, wenn sie nämlich zur falschen Haltung gegenüber der Wirklichkeit führt.
Die Grundfrage hier ist jedoch in der Tat die der Nützlichkeit. Daher lasse ich die anderen Aspekte einmal beiseite und sage, daß Feersh für uns von großem Nutzen war, ist und möglicherweise auch bleibt. Darum sage ich ferner, daß sie weiterhin mit uns gehen wird.“
Deyv und Vana hatten eigentlich erwartet, daß das Schicksal der Hexe zur Abstimmung gebracht würde. Anscheinend hatte die Shemibob dies überhaupt nicht in Betracht gezogen. Aber sie hatte wenigstens nach ihrer Meinung gefragt. Außerdem hatte sie, davon waren sie überzeugt, auf irgendeine unausgesprochene Weise auch über sie selbst geurteilt. Sie waren sich nicht sicher, aber sie glaubten, daß sie besser abgeschnitten hatten als der Yawtl.
Und doch konnten sie auch Hoozisst verstehen.
Vana jedoch drückte den Sachverhalt vorzüglich aus, fand Deyv, als sie sagte: „Unser Kind trägt auch nichts zum Allgemeinwohl bei, und es ist eindeutig eine schwere Last. Wieso hat Hoozisst nicht verlangt, daß Drossel zurückbleibt?“
40
Die Dunkelheit, die das Schwarze Tier verbreitete, hatte noch nicht ganz den Höhepunkt erreicht, als Phemropit und seine Reiter einen Berg umrundeten. Unter ihnen war ein Tal. Zwei Täler, genaugenommen, denn in der Mitte des ersten war noch ein zweites, kleineres. Aus dem Tintenschwarz des ersteren erhob sich das Haus der Schwebenden Gebilde. Es war eine unbestimmte Masse, die etwas Unermeßliches andeutete, aus dem eine schwacherleuchtete Säule oder ein Turm aufstieg. Der obere Teil war weniger dunkel und trug wegen des durch einen Einschnitt in der gegenüberliegenden Bergkette strömenden Lichts einen hellen Kranz.
Sie sagten für eine Weile nichts, sondern starrten nur durch die Dunkelheit und versuchten in dem Bau unter der Säule etwas zu erkennen. Der Wind hatte sich gelegt; nicht ein Ton war mehr zu hören. Seit sie die Grenze zu dem Toten Ort überschritten hatten, war die ganze Zeit über das einzige Geräusch das gewesen, das sie selbst verursachten oder, manchmal, ein Seufzen oder Heulen des Windes in merkwürdigen Steinen oder der Donner bei einem Unwetter und das Plätschern des Regens. Sie hatten keine einzige lebende Kreatur gesehen – weder Pflanzen noch Insekten noch Vögel noch andere Tiere. Selbst die Steine wirkten leblos im Vergleich zu denen außerhalb des Gebietes. Irgendwie machten sie den Eindruck, als habe irgend etwas ihr steinernes Inneres ausgetrocknet oder ausgesaugt.
Doch mußte auch ein krankes Ding immer noch am Leben sein. Oft gelangten sie an einen kleinen Felsen, einen großen Felsblock oder einen Berghang, an denen einzelne Schichten infiziert zu sein schienen. Aus unregelmäßig geformten Flecken sickerte langsam eine übelriechende, trübe Flüssigkeit, die frappierende Ähnlichkeit mit Eiter besaß. Sie hatten an den feuchten Flecken gekratzt, da sie es für eine Art Flechte gehalten und gedacht hatten, daß der Tote Ort daher doch nicht ganz tot sein konnte. Aber sie stießen nur auf Gesteinspartikel, die aus irgendeinem Grunde dunkler als die Hauptmasse des Felsens war.
Nun, nach einer langen Reise, bei der sie häufig Umwege hatten machen müssen wegen der vielen Steilhänge, die Phemropit nicht erklimmen konnte, und der vielen Pässe, die sie sich suchen mußten, waren sie fast am Ziel.
Vana fröstelte und
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