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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Chemoise und ihre Days. »Rasch, wir brauchen Träger für die Bahren und einige Totengewänder.«
    Chemoise lief in die Küchen, holte einige der taubstummen Bäcker, den Metzger und seinen Lehrling, Küchenhilfen ohne Geruchssinn. In wenigen Augenblicken waren zwei Dutzend Menschen da, die halfen, die Bahren zu tragen.
    Der Metzger wankte hinüber in den Saal der Übereigner und kam mit einem Armvoll schwarzer Baumwolltotenkleider mit großen Kapuzen und langen Ärmeln wieder heraus.
    Die Bahrenträger legten jeder eines der Totenkleider an, damit die Geister in den Gräbern wußten, daß sie nicht als Grabräuber kamen. Am Saum eines jeden Gewandes befand sich ein silbernes Glöckchen, dessen Läuten böse Geister vertrieb.
    Nachdem sie fertig waren, gingen sie zu den Bahren hinüber und machten sich daran, die Toten zum Fallgatter hinüberzutragen. Iome übernahm den vorderen rechten Griff an der Bahre ihrer Mutter, wo ihr Platz war.
    Danach legten sich der Kommandant und sein Unteroffizier ins Zeug, zogen rasch das Fallgatter hoch und scheuchten sie mit einer Warnung aus der Burg. »In zwanzig Minuten – nicht mehr – seid ihr zurück!«
    Iome wußte, daß die Zeit nicht reichen würde, um die Leichen an ihren Platz zu schaffen und den Toten die tröstlichen Grablieder zu singen, sie nickte trotzdem, nur um den Kommandanten zu beschwichtigen.
    Dann begannen sie, die Leichen hinter den Bergfried der Übereigner zu tragen, in eine bewaldete Senke, zum Grabmal des Königs.
    Iome hatte noch nie so hart gearbeitet. Sie war daher kaum zweihundert Schritte vom Tor entfernt, hinter der Ecke zur Fußstraße, als sie sich dabei ertappte, wie sie, klopfenden Herzens und schweißnaß, die anderen bat, kurz haltzumachen.
    Es war fast Mittag. Wie sie da in der strahlenden Sonne stand, die Luft voller Aschegeruch, schoß aus dem Schatten unter einer Marktmarkise ein verdreckter, junger Buckliger mit großkapuzigem Gewand hervor.
    Sie wußte augenblicklich, daß es Binnesman sein mußte. Sie spürte die Kraft der Erde, die er verströmte, und fragte sich, was ihn zurückgelockt hatte und wieso der Zauberer nach ihr suchte.
    Der Bucklige schlich sich an Iome heran, drängte sie einen Schritt zurück. »Erlaubt, daß der alte Aleson Euch dabei zur Hand geht, junge Frau«, sagte er leise, wobei er seine Kapuze ein Stück zurückstrich, und griff nach dem rechten vorderen Griff der Bahre.
    Es war gar nicht Binnesman. Iome war überrascht, unter der dicken Schmutzschicht Gaborns Gesicht zu erkennen. Ihr klopfte das Herz. Irgend etwas war im Gange. Aus irgendeinem Grund hatte es Gaborn nicht bis draußen vor die Burgtore geschafft und brauchte ihre Hilfe. Und irgendwie schien es ihr, als wäre er in den letzten Stunden gewachsen.
    Iome zog ihre Kapuze tiefer herunter, um ihr Gesicht zu verdecken. Einen Augenblick lang hatte sie wieder das Gefühl, als raubte ihr jemand allen Stolz und Mut. Der in Raj Ahtens Zwingeisen eingearbeitete Zauber versuchte noch immer, ihr jegliches Selbstwertgefühl zu nehmen. Wieder und wieder sprach sie leise in Gedanken einen Satz wie eine Litanei vor sich hin: Das verweigere ich Euch, das verweigere ich Euch.
    Die Vorstellung jedoch, daß Gaborn sie wiedererkennen könnte, war für sie unerträglich. Sie überließ ihm die Bahre und ging dann neben ihm her, als die Bahrenträger eine Gasse überquerten und die schmale Straße hinuntergingen, die zu den Grabmalen führte.
    Die Grabmale der Familie Sylvarresta bestanden aus Hunderten
    kleiner,
    steinerner
    Mausoleen,
    allesamt
    knochenweiß getüncht die inmitten eines kleinen, geschützten Wäldchens aus Kirschbäumen standen. Viele der Mausoleen war so gebaut, daß sie wie kleine Paläste aussahen, mit absurd hohen Spitztürmen und Statuen der toten Könige und Königinnen vor den Toren eines jeden winzigen Palastes.
    Andere Mausoleen, die treuen Gefolgsleuten und Gardisten vorbehalten waren, waren schlichte Steingebäude.
    Als sie den Schutz des Wäldchens erreichten, setzten die Träger ihre Last ab. Gaborn sagte leise zu Iome: »Ich bin es, Gaborn Val Orden, Prinz von Mystarria. Tut mir leid, Euch zu bedrängen, aber ich habe mich die ganze Nacht versteckt und muß etwas in Erfahrung bringen. Könnt Ihr mir sagen, wie es der Familie Sylvarresta ergangen ist?«
    Erschrocken stellte Iome fest, daß Gaborn sie nicht mehr erkannte – nicht jetzt, wo ihre Schönheit dahin war, ihre Haut rauh wie Borke. Hinter ihr hatte Iomes Days ihr Gesicht und ihr

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