Dunkel ueber Longmont
sie doch schwächer, als sie vermutete. Der Wolflord hatten offenbar Angst, Ordens Soldaten weiter zu verfolgen, denn er wußte sehr wohl, daß er in einen Hinterhalt gelockt werden konnte.
Raj Ahtens Weisheit überstieg die von Iome bei weitem.
Wenn er Angst hatte, dann vielleicht aus gutem Grund.
Gestern hatte Gaborn ihr erzählt, König Orden könne bald mit Verstärkung in der Burg eintreffen.
Sie hatte dem keine große Beachtung geschenkt. Orden brachte oft ein paar hundert Mann in seinem Gefolge mit. Was konnten die schon ausrichten?
Aber Gaborn glaubte offenbar, die Streitmacht sei stark genug, um Raj Ahten ernstlich zu bedrängen. Er hatte die Zahl der Soldaten seines Vaters nie genannt, wie ihr jetzt auffiel.
Das war klug. Die Familie Sylvarresta konnte nichts verraten, was sie nicht wußte.
Iome warf einen flüchtigen Blick auf ihre Days, die zusammen mit der Days ihrer Mutter ein paar Schritte entfernt saß und die verbrannten Felder beobachtete. Die Days wußten, wie viele Männer Orden mitgebracht hatte, kannten jeden Zug, den der König machte. So oder so verfolgten sie die Bewegungen der Armeen jedoch nur wie Figuren auf einem Schachbrett.
Wie viele Männer hatte Orden dieses Jahr zum Hostenfest mitgebracht? Eintausend? Fünftausend?
Mystarria war ein reiches Land und dicht besiedelt. König Orden hatte seinen Sohn zu einem Eheversprechen mitgebracht. Bei derartigen Eheversprechen war es für eine königliche Familie üblich, ihren Reichtum zu zeigen, Soldaten antreten zu lassen und die Ritter zu freundschaftlichen Wettkämpfen einzuladen.
Orden hatte gewiß viele seiner besten Leute bereitstehen.
Fünfhundert vielleicht.
Aber Orden neigte auch zu Pomp, zu eitler Selbstdarstellung.
Also doppelt so viele.
Die Krieger Mystarrias waren leidenschaftlich. Von klein auf übten ihre Bogenschützen, vom Pferd aus zu schießen. Die Tapferkeit ihrer Ritter mit ihren langgriffigen Reiteräxten und Kriegshämmern war legendär.
Vielleicht hielt die Legende von den Kriegern Mystarrias Raj Ahten in Schach, weshalb er nicht wagte, die Burg noch einmal zu verlassen.
Iome verfolgte das Geschehen eine ganze Weile lang.
Niemand sonst kehrte in die Burg zurück – kein einziger schwarzfelliger Nomen.
Trotzig erschollen jetzt in den bewaldeten Hügeln sowohl im Osten als auch im Süden und Westen Schlachthörner, schmetterten aus einem Dutzend Richtungen, verkündeten Angriffe, riefen neue Verbände herbei.
Ordens Ritter, die in den Wäldern weiter gegen Nomen kämpften. Für diese Krieger würde es ein langer, harter Tag werden.
Unten am Stadttor drehte sich Raj Ahten im Sattel um und warf einen letzten Blick über die Felder, so als spielte er mit dem Gedanken, erneut hinauszureiten. Dann rückte er in die Stadt ein, und seine Leute schlossen die zerstörte Zugbrücke, so gut das noch möglich war.
Das Leben nahm seinen Gang. Vom Turm aus konnte Iome einen großen Teil der Stadt überblicken. Unten beim Bergfried der Soldaten stöberten Frauen und Kinder nach Eiern, die aufgescheuchte Hühner zurückgelassen hatten. Der Müller mahlte am Fluß Weizen, Der Duft der Kochfeuer vermengte sich mit dem Rauch und der Asche des Krieges. Iomes Magen schnürte sich zusammen.
Als sie der Meinung war, daß sie lange genug von der Mauer aus zugesehen hatte, stieg sie, gefolgt von ihrer Days, hinunter in den Innenhof des Bergfrieds der Übereigner. Die Days ihrer Mutter stand auf dem Turm und betrachtete die Felder.
Ihr Vater saß in der Sonne und spielte mit einem Welpen, der knurrend an seiner Hand herumkaute. Er hatte sich beschmutzt, als Iome auf der Mauer stand, also machte sie sich mit einem Eimer und einem Lappen an die Arbeit und wusch ihn. Er sträubte sich nicht dagegen, starrte ihr bloß in das verunstaltete Gesicht, von ihrer Häßlichkeit eingeschüchtert, ohne zu wissen, wer sie war.
Er sah gut aus wie immer, seine Gaben der Anmut waren ihm erhalten geblieben. Dazu war er kräftiger als je zuvor. Ein Herkules mit dem Verstand eines Kindes. Während sie ihm den Kot abwusch, lag König Sylvarresta da, sah sie aus großen Augen an, machte blökende Geräusche und sabberte.
Unschuldig lächelnd freute er sich über sein neu entdecktes Vergnügen.
Iome wäre fast in Tränen ausgebrochen. Zwölf Stunden. Ihr Vater hatte seine Gaben vor fast zwölf Stunden abgetreten. Es war eine kritische Zeit, dieser erste Tag – die schlimmste für ihn. Wer Hauptgaben abgetreten hatte, durchlebte eine Spanne,
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