Dunkel ueber Longmont
retten.
Aus dem Schatten neben ihm tauchte ein schwerer Kerl mit schmutzigem Gewand auf. Er knurrte; »Aleson, du stinkender Narr! Steh nicht im Weg herum. Du hast die Nachttöpfe der Übereigner nicht geleert, wie ich dir aufgetragen habe! Komm jetzt mit und mach deine Arbeit. Laß die guten Männer in Ruhe.«
Zu seiner Überraschung drückte ihm der Mann zwei Eimer mit Fäkalien in die Hand, dann versetzte er ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Hinterkopf. Die Eimer stanken. Für jemanden mit Gaben des Geruchssinns war der Gestank unerträglich. Gaborn unterdrückte sein Bedürfnis, sich zu übergeben, verdrehte den Hals und bedachte den Mann mit einem wütenden Blick. Der Mann war stämmig, hatte buschige Brauen, einen kurzen braunen, grau durchsetzten Bart. Im Schatten wirkte er wie irgendeiner der Übereigner in ihren schmutzigen Gewändern, doch Gaborn erkannte ihn: Sylvarrestas Kräutersammler, ein mächtiger Zauberer, der Erdwächter Binnesman.
»Trag sie hinüber in den Garten für mich, bevor es zu dunkel wird«, fauchte ihn der Kräutersammler an, »sonst bekommst du eine Abreibung, aber schlimmer als beim letzten Mal!«
Gaborn begriff. Der Kräutersammler wußte, daß Raj Ahtens Späher seine Witterung aufgenommen hatten. Aber kein Mann mit Gaben des Geruchssinns würde diesen Eimern zu nahe kommen.
Gaborn hielt die Luft an und nahm die Eimer in die Hand.
»Stoß dir im Dunkeln nicht die Zehen an. Kann ich dich keinen Augenblick aus den Augen lassen?« fauchte Binnesman. Er hielt die Stimme gesenkt, als wollte er verhindern, daß jemand lauschte, dabei wußte er sehr gut, daß jeder Soldat in Raj Ahtens Garde über genug Gaben des Gehörs verfügte, um sogar auf diese Entfernung noch Gaborns Herz schlagen zu hören.
Binnesman führte ihn nach hinten zu den Küchen. Sie begegneten der Küchenmagd. »Gut, Ihr habt ihn gefunden!«
meinte sie leise zu Binnesman.
Der Kräutersammler nickte bloß, hob warnend den Zeigefinger – sie solle nicht sprechen –, dann führte er die beiden durch ein kleines Eisengatter aus dem Bergfried der Übereigner heraus und über einen ausgetretenen Pfad in einen Garten. Den Kräutergarten des Kochs.
Längs der Südmauer des Gartens wuchsen ein paar dunkelgrüne Kletterpflanzen, die sich die steinerne Mauer hinaufrankten. Binnesman blieb stehen und begann Blätter abzupflücken. Im schwindenden Licht erkannte Gaborn die schmalen, spatenförmigen Blätter von Hundstod.
Nachdem er eine Handvoll gepflückt hatte, rollte Binnesman sie zwischen den Fingern und zerdrückte sie. Für einen gewöhnlichen Menschen besaß Hundstod nur einen leicht unangenehmen Geruch, für Hunde aber war es Gift. Sie mieden es. Darüber hinaus war Binnesman ein meisterhafter Zauberer, der die Wirkung seiner Kräuter noch verstärken konnte.
Was Gaborn in diesem Augenblick roch, war unbeschreiblich – ein öliger, alptraumhafter Gestank, der einem die Innereien zusammenzog wie das fleischgewordene Böse. Tatsächlich füllte ein Bild Gaborns Gedanken – als hatte plötzlich eine Riesenspinne hier ein mörderisches Netz über den Pfad gesponnen. Tödlich. Todbringend. Gaborn bekam eine Ahnung davon, wie das Zeug einem Hund zusetzen mußte.
Der Kräutersammler verstreute die Blätter auf dem Boden und verrieb etwas davon auf Gaborns Sohlen.
Damit fertig, führte er Gaborn durch den Garten des Kochs, wobei er die anderen Kräuter nicht beachtete. Sie sprangen über eine niedrige Mauer und erreichten die Königsmauer – die zweite Verteidigungslinie der Stadt.
Binnesman führte Gaborn eine schmale Straße entlang, die Königsmauer auf der einen und die Rückseiten der Geschäfte der Kaufleute auf der anderen Seite, bis sie an ein Gittertor kamen, so klein, daß sich ein normaler Mensch ducken mußte, um hindurchzugelangen. Zwei Gardisten hielten neben dem Tor in der steinernen Mauer Wache. Auf eine Geste von Binnesman hin zog einer von ihnen einen Schlüssel hervor und öffnete das Eisentor.
Gaborn setzte die stinkenden Eimer mit Fäkalien ab, denn er wollte die Last loswerden, aber Binnesman zischte ihn an: »Nimm sie mit!«
Die Gardisten ließen die drei hindurch. Draußen vor der Mauer befand sich der königliche Garten, üppiger und prächtiger als alle, die Gaborn je gesehen hatte. Im nun offenen Gelände sah man im fahlen Mondlicht besser als zuvor im Schatten der engen Straßen.
Doch der Begriff »Garten« schien nicht recht zu passen. Die Pflanzen, die hier wuchsen,
Weitere Kostenlose Bücher