Dunkel ueber Longmont
überraschend rauh und angenehm. »Der Bäckerpfad führt hinunter zur Mühle. Es gibt dort ein paar niedrige Birken, die weit übers Wasser reichen. Ihr könntet es vielleicht schaffen.«
»Danke«, sagte Gaborn.
Er machte kehrt und wollte nach draußen in den Innenhof gehen. Er würde Burg Sylvarresta verlassen, aber er mußte Raj Ahten noch einen Schlag versetzen. Er hatte Dutzende Zwingeisen auf dem Rasen liegen sehen, dort, wo die Annektoren vor kurzem noch gearbeitet hatten.
Die Zwingeisen, geschmiedet aus wertvollem Blutmetall aus den Hügeln von Kartish, bestanden aus einem Metallgemisch, von dem man glaubte, daß es aus menschlichem Blut gewonnen wurde. Gaborn durfte nicht zulassen, daß sie Raj Ahten in die Finger fielen.
Gaborn wollte sich gerade umdrehen und gehen, als die Magd ihm auf die Schulter tippte und fragte: »Nehmt Ihr mich mit?«
Gaborn sah die Angst in ihren Augen. »Ich würde schon«, antwortete er leise, »wenn ich glaubte, es würde etwas nützen.
Gut möglich, daß du hier sicherer bist.« Seiner Erfahrung nach waren Übereigner selten besonders mutig. Sie gehörten nicht zu der Sorte von Menschen, die zupackten und das Leben an sich rissen. Sie dienten ihren Lords, aber passiv. Er wußte nicht, ob dieses Mädchen die seelische Stärke zur Flucht besaß.
»Wenn sie die Königin töten«, sagte sie, »werden sich die Soldaten… an mir vergehen. Ihr wißt, wie sie sich an gefangenen Übereignern rächen.«
Jetzt begriff Gaborn, weshalb sie ihre Gefühle aufgegeben hatte, warum sie fürchtete, berührt und noch einmal verletzt zu werden. Sie hatte Angst vor einer Vergewaltigung.
Sie hatte recht. Gut möglich, daß Raj Ahtens Soldaten ihr Leid zufügen würden. Diese Menschen, die zu schwach waren, um sich auf den Beinen zu halten, oder deren Stoffwechsel so langsam war, daß sie nicht mehr als fünfmal in der Stunde blinzeln konnten – sie alle waren ein Teil ihres Runenlords. Sie waren seine unsichtbaren Anhängsel, die Quelle seiner Macht. Indem sie ihren Lord stützten, leisteten sie den Feinden ihres Lords Widerstand.
Wenn König Sylvarresta getötet wurde, entgingen auch diese armen Geschöpfe der Vergeltung nicht.
Gaborn wollte der Magd sagen, daß er sie nicht mitnehmen könne. Wollte ihr erklären, wie gefährlich die Reise werden würde. Für sie jedoch bestand das größere Risiko darin, hier im Bergfried der Übereigner zu bleiben.
»Ich habe vor, durch den Fluß hinauszuschwimmen«, antwortete Gaborn. »Kannst du schwimmen?«
Das arme Ding nickte. »Ein wenig.« Sie zitterte bei dem Gedanken an das, was sie plante, bekam plötzlich solche Angst, daß ihr Kiefer bebte. Tränen traten ihr in die Augen.
Schwimmen zu können, wurde hier in Heredon nicht hoch geachtet, in Mystarria hatte Gaborn jedoch die Feinheiten dieser Kunst von Wasserzauberern gelernt. Noch immer ließ er Zauber über sich sprechen, die verhindern sollten, daß er ertrank.
Gaborn beugte sich zu ihr und drückte ihre Hand. »Sei jetzt tapfer. Du wirst es schaffen.«
Er machte kehrt und wollte gehen, und sie folgte ihm und nahm im Hinausrennen einen Laib Brot für sich mit. In der Tür schnappte sie sich einen Wanderstab und einen alten Schal, umwickelte ihren Kopf damit und lief hinaus.
An einem Pflock, wo der Wanderstab gehangen hatte, entdeckte Gaborn einen Bäckerkittel, ein Kleidungsstück, das zu warm war, um in der Nähe der Öfen getragen zu werden.
Die Bäcker zogen sich beim Backen bezeichnenderweise bis auf einen Lendenschurz aus.
Gaborn zog den Kittel über, ein schmutziges Etwas, das nach Hefe und dem Schweiß eines fremden Mannes stank. An seinen Platz hängte er Sylvarrestas elegantes, blaues Gewand.
Jetzt sah er aus wie ein zum Haus gehöriger Bediensteter – wenn man von seinem Degen und seinem Dolch absah. Daran war nichts zu ändern. Er würde sie brauchen.
So eilte er in den Hof, um die Zwingeisen einzusammeln.
Der klare Abendhimmel war dunkel geworden. Im Hof waren die Schatten inzwischen überraschend tief. Wachen brachten Fackeln aus dem Wachraum herbei, um den Innenhof zu beleuchten.
Als Gaborn aus der Tür heraustrat, bemerkte er seinen Fehler. Die großen Holztore zum Bergfried der Übereigner standen offen, und Raj Ahtens Gefechtsgarde war gerade hereingeritten, Männer, denen selbst der zufälligste Beobachter ansah, daß sie sich mit erhöhter Geschwindigkeit bewegten, Krieger mit so vielen Gaben, daß Gaborn im Vergleich zu ihnen ein Nichts war. Lord
Weitere Kostenlose Bücher