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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Sylvarrestas Übereigner waren im gesamten Innenhof zusammengelaufen und starrten voller Bestürzung Raj Ahtens Truppen an.
    Der Wolfslord selbst verließ soeben mit Sylvarresta und Iome die Burg.
    Gaborn ließ den Blick über den Boden des Hofes wandern.
    Die Zwingeisen, die er hatte einsammeln wollen, waren verschwunden. Gestohlen.
    Ein Soldat der Garde durchbohrte ihn mit seinem Blick.
    Gaborns Herz klopfte heftig. Er wich zurück und versuchte sich die Lehren aus dem Haus des Verstehens in Erinnerung zu rufen.
    Ein armer Teufel. Ich bin ein armer Teufel, wollte er mit seinem ganzen Körper sagen. Einer dieser elendigen Krüppel in den Diensten von Lord Sylvarresta. Doch der Degen, den er trug, erzählte eine ganz andere Geschichte.
    Ein Stummer? Ein Tauber, der immer noch darauf hoffte, zu kämpfen?
    Er trat einen Schritt nach hinten, weiter in die Schatten hinein, zog die rechte Schulter hoch, ließ seinen Arm hängen, starrte zu Boden und sperrte den Mund wie ein Idiot auf.
    »Du da!« sprach ihn der Gardist an und gab seinem Hengst die Sporen. »Wie ist dein Name?«
    Gaborn sah die Übereigner rings um sich an, als wüßte er nicht recht, ob er gemeint war. Alle waren unbewaffnet. Er konnte nicht darauf hoffen, sich unter sie zu mischen.
    Gaborn setzte ein idiotisches Grinsen auf und senkte den Blick. In einem Bergfried der Übereigner traf man gelegentlich eine Sorte Mensch an, welche über keine Gaben verfügten, die es sich ihnen abzunehmen lohnte, welche ihren Lord jedoch liebten und ihm daher dienten, so gut sie eben konnten. Einen solchen wollte er versuchen zu spielen.
    Blinzelnd grinste Gaborn zu dem Soldaten hoch und deutete mit einem Finger auf dessen Krafthengst. »Ah! Was für ein hübsches Pferd!«
    »Ich habe dich nach deinem Namen gefragt!« herrschte der Soldat ihn an. Er gab mit einem leichten taifanischen Akzent an.
    »Aleson«, antwortete Gaborn. »Aleson, der Eiferer.« Er sprach das Wort »Eiferer« aus, als sei es der Titel eines Lords.
    In Wirklichkeit war dies der Name, den man jemandem gab, der als Übereigner abgewiesen worden war, weil man ihn für wertlos hielt. Er fummelte an seinen Degen herum, als wollte er ihn ziehen. »Ich… ich werde einmal Ritter sein.«
    Gaborn gelang es, den Degen halb so zu ziehen, als wollte er ihn zeigen, dann schob er ihn in die Scheide zurück. Der Soldat würde guten Stahl erkennen, wenn er ihm unterkam.
    Da, schon hatte er seine Verkleidung. Ein schwachsinniger Junge, der einen Degen trug, um damit anzugeben. In diesem Augenblick rollte ein schwerer Karren durch die Fallgatter, ein offener Wagen voller Männer in Gewändern mit Kapuzen – Männern, denen schlaff das Kinn herabhing. Den leeren Augen einiger nach hatte man ihnen den Verstand abgenommen. Andere waren so schwach, nachdem sie ihre Muskelkraft abgetreten hatten, daß sie sich nicht erheben konnten, sondern nur erschöpft dalagen. Ihre Arme baumelten über den Wagenrand. Manchen waren nach der Übertragung ihrer Anmut so verkrampft, daß jeder Muskel sich zusammengezogen zu haben schien – ihr Rücken war gekrümmt, Finger und Zehen zu nutzlosen Klauen verbogen.
    Raj Ahten schaffte seine eigenen Übereigner in die Burg. Der Karren wurde von vier gewaltigen Zugpferden gezogen. Die Hengste der Ehrengarde tänzelten und schlugen aus. Für so viele Tiere war hier auf dem Hof kaum Platz, jedenfalls solange die Übereigner herumstanden und glotzten.
    »Ein schöner Degen, Junge«, brummte der Gardist in Gaborns Richtung, während sein Pferd vor dem Karren scheute. »Paß auf, daß du dich nicht damit schneidest!« Mit diesen Worten galt Gaborn als entlassen. Der Soldat hatte Mühe, dem Karren auszuweichen, ohne dabei einen der Herumstehenden zu zerquetschen.
    Gaborn schlurfte nach vorn. Er wußte, der sicherste Weg, jemanden loszuwerden, war, sich ihm mit allen Mitteln aufzudrängen. »Ach, er ist nicht scharf. Wollt Ihr mal sehen?«
    Der Karren hielt, und Gaborn entdeckte ganz hinten drin Iomes Hofdame, Chemoise, die dort einen der Übereigner umschlungen hielt. »Vater, Vater…«, weinte sie. Da wußte Gaborn, daß dies nicht einfach irgendwelche Übereigner von Raj Ahten waren, sondern gefangene Ritter, die man als Kriegsbeute zurück in ihre Heimat brachte. Er beobachtete die junge Frau und ihren Vater, wünschte sich, er könnte sie retten. Wünschte sich, er könnte das gesamte Königreich retten. Euch auch, schwor er stumm, benommen. Wenn ich es schaffen kann, werde ich euch ebenfalls

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