Dunkel ueber Longmont
Ufer.
Er legte das Bündel Zwingeisen auf den Boden, dann stand er einen Augenblick lang da, tat, als kratze er sich, und zog dabei den Dolch mit seiner linken Hand aus seinem Gürtel. Er behielt das Heft in der Hand, die Klinge flach ans Handgelenk gepreßt, damit sie verborgen blieb.
Dann lauschte er einfach nur. Das Mühlenrad machte einen Lärm wie Felsen, die polternd einen Hang hinabrutschen, und Gaborn konnte fernes Rufen hören, vielleicht von den Menschen, die das Feuer in der Stadt bekämpften. »Wir warten hier«, teilte er Rowan mit.
Er hielt den Atem an, als der Jäger näher kam. Verstohlen, ein Schleicher, aber schnell. Der Mann besaß eine Gabe des Stoffwechsels.
Gaborn durfte nicht riskieren, daß der Mann einen Warnruf ausstieß und die Aufmerksamkeit der Nomen am anderen Ufer auf sich lenkte.
Er wartete, bis der Mann ganz nahe war, nur noch zwanzig Fuß entfernt. Leise knackte ein Zweig. Gaborn gab vor, es nicht zu hören. Wartete eine halbe Sekunde. Er besaß keine Gabe des Stoffwechsels. Er bewegte sich mit der Schnelligkeit der Jugend, doch dem Kraftkrieger war er nicht gewachsen.
Daher wartete er weiter, bis er vermutete, daß der Jäger auf seine Füße starrte und sich darauf konzentrierte, jedes Geräusch zu vermeiden, dann wirbelte Gaborn herum und sprang leise an Rowan vorbei.
Der Jäger riß das Schwert nach oben, so schnell, daß es nur verschwommen zu sehen war. Er nahm Kampfhaltung ein – Knie leicht angewinkelt, die Schwertspitze nach vorn gerichtet. Gaborn war an Tempo unterlegen. Aber nicht an Gerissenheit.
Er schleuderte seinen Dolch aus zehn Fuß Entfernung, und der Knauf traf den Mann auf der Nase. In diesem Sekundenbruchteil, als der Jäger abgelenkt war und er die Spitze seines Schwertes angehoben hatte, stürzte Gaborn vor und landete einen vernichtenden Schlag gegen das Knie des Jägers, der seine Patellasehne durchtrennte.
Der Jäger versuchte zu parieren, senkte das Schwert, zu spät jedoch, denn in der Rückwärtsbewegung riß Gaborn die Klinge hoch und schlitzte dem Krieger die Kehle auf. Der Jäger machte einen Satz nach vorn, noch nicht wissend, daß er bereits tot war. Gaborn drehte sich von dem Schwert fort, spürte, wie es ihn links am Brustkorb streifte. Ein brennender Schmerz loderte auf, und Gaborn drückte das Schwert des Kriegers mit seinem Degen zur Seite und tänzelte zurück.
Der Kehle des Jägers entwich ein gurgelnder Laut, er wankte einen Schritt vor. Blut spritzte aus seinem Hals, eine Fontäne, die im Rhythmus seines Herzschlags sprudelte.
Gaborn wußte, daß der Mann unmöglich noch viel länger überleben konnte, und wich zurück – aus Angst, eine weitere Verletzung davonzutragen. Er stolperte über eine Wurzel, lag halb aufgestützt auf dem Boden, die Degenspitze immer noch nach oben gerichtet, um etwaige Angriffe zu parieren.
Als das Blut aus dem Gehirn des Jägers wich, blickte er sich eine halbe Sekunde lang benommen um. Er griff nach einem jungen Baum, verfehlte ihn. Ließ sein Schwert fallen und kippte vornüber.
Gaborn stach dem Mann in die Brust, als er stürzte, und hielt den Toten auf diese Weise einen Augenblick lang aufrecht. Er war darum bemüht, daß das Scharmützel geräuschlos blieb, bezweifelte jedoch, ob den Nomen am anderen Ufer das Klirren der Waffen entgangen war.
Gaborn zog seine Klinge zurück und beobachtete den kleinen Hügel oben. Er konnte keine weiteren Männer Raj Ahtens entdecken, und im stillen dankte er Binnesman für die Kräuter, die seinen Geruch überdeckten.
Daraufhin betastete er seine Rippen. Die Blutung war nicht stark. Nicht so stark jedenfalls, wie er befürchtet hatte.
Rowan keuchte vor Angst. Während er zu ihr hinunterkletterte, sah sie ihn in der Dunkelheit an, als hätte sie Angst, seine Wunde könnte tödlich sein.
Er richtete sich, um sie zu beruhigen, ein wenig höher auf, dann führte er sie die steile Uferböschung hinab zu der Stelle, wo der Fluß mit dem Burggraben zusammentraf. Der Feuerschein über ihm war noch heller geworden. Die Nomen standen aufrecht am gegenüberliegenden Ufer und blickten besorgt in seine Richtung. Sie hatten tatsächlich das Klirren der Waffen gehört, doch solange die Flammen sie blendeten, solange Gaborn und Rowan sich im Schauen versteckten, suchten die Nomen vergeblich. Vielleicht verwirrte sie das Geräusch des Mühlenrads flußaufwärts, vielleicht waren sie unsicher, ob es im Wald zu einem Kampf gekommen war.
Keiner schien den Wunsch zu hegen,
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