Dunkel ueber Longmont
Sylvarresta, »und liebe dich noch immer.«
Da drehte Iomes Mutter sich um, das Gesicht voller Tränen der Liebe, den Mund schmerzlich zusammengepreßt. Sie sah aus wie eine junge Frau. Wie ein treuer Hund, der unter großen Schmerzen leidet und nach dem Herrchen schnappt, das ihn zu retten versucht, so hatte Iomes Mutter ihren Gemahl attackiert, und jetzt sah Iome, wie leid es ihr tat.
»Ich liebe dich auf ewig«, erwiderte Venetta. »Du bist tausendmal mehr ein König, als mein niederträchtiger Cousin dies jemals sein kann.«
König Sylvarresta streifte sein Kettenhemd ab und stand in seinem Lederwams da. Er warf Iome einen vielsagenden Blick zu. Die Prinzessin ging hinaus und ließ ihren Eltern ihre Ungestörtheit.
Sie wagte nicht, in den Thronsaal zurückzukehren. Nicht, solange Raj Ahten sich dort befand. Also wartete sie im Alkoven vor ihres Vaters Tür und lauschte dem aufgeregten Gespräch der Days. Früher wären hier Gardisten und Diener über Nacht postiert gewesen, doch Lord Sylvarresta hätte beides nicht gewollt. Dennoch war der kleine Raum mit seinen Bänken groß genug für Iome und die Days.
Mehrere Minuten später verließen Iomes Eltern ihr Gemach.
Ihre Mutter trug noch immer ihre Prunkgewänder, ihr Vater ein königliches Gewand und einen entschlossenen Ausdruck im Gesicht.
Im Vorübergehen flüsterte Venetta Iome zu: »Vergiß nie, wer du bist.«
Ihre Mutter war fest entschlossen, die Rolle der Königin bis zum Ende durchzustehen.
Iome folgte ihnen zurück in das Audienzzimmer.
Zu ihrer Überraschung hatten sich zwei von Raj Ahtens Unbesiegbaren zu ihm gesellt. Sie standen rechts und links vom Thron. Die drei boten ein imposantes Bild.
Lord Sylvarresta trat bis zum Rand des leuchtendroten Teppichs vor dem Thron vor. Er beugte ein Knie und neigte seinen Kopf. »Jas Laren Sylvarresta, zu Euren Diensten, Lord.
Und ich überbringe, wie verlangt, meine Gattin, Eure geliebte Cousine Venetta Moshan Sylvarresta.«
Lady Sylvarresta sah zu, wie ihr Gatte sich verbeugte, blieb einen Augenblick unschlüssig stehen, dann verneigte sie sich leicht, wobei sie den Wolflord aus wachsamen Augen beobachtete.
Als ihr Kopf dem Boden am nächsten war, sprang Raj Ahten vor, so daß sein Körper kaum zu erkennen war, und zog das Kurzschwert aus der Scheide.
Venettas Krone, von Raj Ahtens Schwert von ihrem Kopf gerissen, flog in hohem Bogen davon und prallte klirrend von der steinernen Decke ab.
»Ihr seid anmaßend!« warnte Raj Ahten sie.
Iomes Mutter starrte den Wolflord an. »Ich bin noch immer Königin«, brachte sie zu ihrer Verteidigung vor.
»Darüber zu entscheiden liegt bei mir«, entgegnete Raj Ahten. Er bohrte das Schwert in die Polsterung des Thrones der Königin und ließ es dort stecken, als er sich wieder setzte.
Darauf zog er seine Handschuhe aus und warf sie neben sich ebenfalls auf ihren Thron. Er umfaßte die Armlehnen seines Sessels und verriet, so dachte Iome, einen Hauch von Nervosität. Er wollte etwas von ihnen. Er brauchte etwas. Das konnte sie sehen.
»Ich war mit Euch mehr als geduldig. Ihr, Jas Laren Sylvarresta, habt Ritter finanziert, die mich grundlos angegriffen haben. Ich bin gekommen, um dafür zu sorgen, daß solche Überfalle aufhören. Ich verlange… einen entsprechenden Tribut.«
Iomes Vater schwieg einen Augenblick lang. Ihre Mutter kniete neben dem Thron. »Was wollt Ihr von uns?« fragte Lord Sylvarresta schließlich.
»Die Zusage, daß Ihr mich nie wieder angreifen werdet.«
»Ihr habt mein Wort«, erklärte Sylvarresta. Jetzt hob er den Kopf und konzentrierte sich ganz auf den Wolflord.
Raj Ahten sagte bedeutungsschwanger: »Ich danke Euch. Ich nehme Euren Eid durchaus nicht auf die leichte Schulter. Ihr wart Eurem Volk ein ehrenwerter Lord, Sylvarresta. Ein unparteiischer Lord. Euer Reich ist ordentlich und wohlhabend. Euer Volk besitzt viele Gaben, die es mir überlassen kann. Wären die Zeiten nicht so finster, ich wäre gerne bereit zu glauben, daß Ihr und ich Verbündete sein könnten. Aber… mächtige Feinde ziehen südlich unserer Grenzen ihre Truppen zusammen.«
»Inkarrer?« fragte Lord Sylvarresta.
Raj Ahten tat dies mit einer Handbewegung ab. »Schlimmer.
Greifer. Die Lords der Unterwelt haben sich dreißig Jahre lang vermehrt wie Karnickel. Sie haben die Wälder Denhams kahlgeschlagen. Sie haben die Nomen aus ihren heiligen Stätten in den Bergen vertrieben. In nicht allzu ferner Zukunft werden sie uns angreifen. Ich habe die Absicht,
Weitere Kostenlose Bücher