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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Fleisch bohren konnte.
    Venetta wich, ihre blutverschmierten Fingernägel in die Höhe haltend, einen Schritt zurück, so als wollte sie diese Raj Ahten zeigen, bevor er zusammenbrach.
    Raj Ahten hob seinen rechten Arm, starrte bestürzt auf das rechte Handgelenk. Das Blut dort verfärbte sich schwarz, und das Gelenk begann entsetzlich anzuschwellen.
    Er hob die Hand wie zum Trotz und blickte Venetta mehrere Herzschläge lang in die Augen, bis sie vor Angst erblaßte.
    Iome betrachtete den Arm. Die blutigen Schnitte in Raj Ahtens Handgelenk waren in Sekundenschnelle narbenlos verheilt, und unter der schwarzen Verfärbung kam nun wieder die natürliche Farbe zum Vorschein.
    Wie viele Gaben des Durchhaltevermögens besaß der Wolflord? Wie viele des Stoffwechsels? Iome hatte noch nie solche Heilkraft gesehen, hatte nur in Legenden davon gehört.
    Raj Ahten lächelte, ein furchteinflößendes Raubtiergrinsen.
    »Nun, dir kann ich also nicht vertrauen, Venetta«, seufzte er leise. »Ich bin ein sentimentaler Mensch. Ich hatte gehofft, Mitglieder der Familie verschonen zu können.«
    Er versetzte ihr mit dem Handrücken den Schlag eines Wolflords. Venettas Kopf gab unter der Wucht des Hiebes nach, Blut spritzte in die Luft, und ihr Genick brach. Der Hieb schleuderte sie ein Dutzend Schritte weit zurück, wo sie in das Glas des Erkerfensters krachte.
    Mit lautem Scheppern flog sie hindurch, dabei verfing sich das Gewicht ihres toten Körpers in den langen, roten Vorhängen, und eine halbe Sekunde lang schien sie reglos in der Nachtluft zu stehen, bevor sie fünf Stockwerke tief aufs Pflaster stürzte.
    Ihr Leichnam schlug klatschend auf die breiten Pflastersteine unten im Innenhof.
    Iome stand unter Schock.
    Ihr Vater stieß einen Schrei aus, und Raj Ahten starrte verdrießlich die zersplitterten Scheiben aus buntem Glas an, die roten Vorhänge, die sich in der steifer werdenden Brise wiegten.
    Raj Ahten sagte: »Mein Beileid, Sylvarresta. Ihr seht, ich hatte keine andere Wahl. Natürlich gibt es immer Leute, die glauben, es sei einfacher, zu töten oder zu sterben als zu dienen. Und sie haben recht. Der Tod erfordert keine Mühe.«
    Iome fühlte sich, als hätte man ihr das Herz zerrissen. Ihr Vater hockte bloß auf gebeugten Knien da und zitterte.
    »Nun«, fuhr Raj Ahten fort, »wir waren gerade dabei, einen Handel abzuschließen. Ich will Eure Geisteskraft, mir nützen ein paar weitere Gaben davon wenig. Aber Ihr gewinnt dadurch sehr viel. Gebt mir Eure Geisteskraft, und Eure Tochter Iome wird an Eurer Stelle als Regentin herrschen.
    Einverstanden?«
    Iomes Vater schluchzte, nickte dumpf. »Holt also Eure Zwingeisen. Laßt mich diesen Tag und meinen Verlust vergessen und mich wieder zum Kind werden.«
    Er trat seine Gabe ab, damit seine Tochter weiterlebte.
    In diesem Augenblick kniete Iome ein weiteres Mal nieder.
    Sie hatte fürchterliche Angst. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was sollte sie tun? Vergiß nie, wer du bist , hatte ihre Mutter gesagt. Aber was bedeutete das? Ich bin eine Prinzessin, eine Dienerin meines Volkes, überlegte sie. Soll ich Raj Ahten angreifen und meiner Mutter durch das Fenster folgen? Was wäre dadurch gewonnen?
    Als Regentin besäße sie einiges an Macht. Im geheimen konnte sie Raj Ahten noch immer ihr Leben lang bekämpfen und ihrem Volk damit ein gewisses Maß an Glück und Freiheit schenken.
    Gewiß war dies der Grund, weshalb ihr Vater noch lebte, warum er sich nicht entschloß, in den Tod zu gehen wie ihre Mutter.
    Iomes Herz klopfte, und ihr fiel nichts ein, was sie hätte tun können, ihr kam kein Plan in den Sinn, der Hoffnung versprach, aber sie erinnerte sich an Gaborns Gesicht von vorhin. An das Versprechen aus seinem Mund. »Ich bin ein Runenlord. Ich werde zurückkommen und dich holen.«
    Aber was vermochte Gaborn schon zu tun? Er konnte kaum gegen Raj Ahten antreten und darauf hoffen, den Wolflord aus dem Süden zu besiegen.
    Und doch mußte Iome hoffen, mußte an etwas glauben. Raj Ahten nickte einem seiner Leibwächter zu. »Ruf die Annektoren.«
    Augenblicke später betraten Raj Ahtens Annektoren den Raum. Kleine, grausame Männer in safrangelben Gewändern.
    Einer trug ein Zwingeisen auf einem Kissen aus Samt.
    Raj Ahtens Annektoren waren geübte Meister ihres Handwerks. Einer begann mit der Zauberformel, der andere hielt Lord Sylvarresta fest und geleitete ihn durch die Prozedur. »Seht Eure Tochter an, Sir«, sagte er mit hartem kartischem Akzent. »Ihr tut

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