Dunkel ueber Longmont
dieser Ritter galt – er hatte sie mit Geld und Waffen unterstützt, die auf ihrem Ritterzug gegen Raj Ahten benötigt wurden. Wenn er jetzt die Verantwortung für ihr Tun abstritt, kam dies einem Bogenschützen gleich, der sich weigerte, die Schuld für den Schaden eines Pfeils zu übernehmen, nachdem dieser seinen Bogen verlassen hatte.
Raj Ahten akzeptierte die Ausrede des Königs nicht. Ein gequälter Ausdruck huschte über sein Gesicht, und er sah einen Augenblick lang zur Seite. Iome spürte, wie ihr Herz aussetzte, als sie Tränen in seinen Augen glitzern sah.
»Ihr habt mir großes Unrecht angetan«, sagte Raj Ahten.
»Eure Meuchelmörder haben meine Übereigner umgebracht, meinen eigenen Neffen abgeschlachtet und einige hingerichtet, die ich als gute Freunde betrachtet habe – als gute Diener.«
Der Klang seiner Stimme gab Iome ein Gefühl der Schuld, überwältigender Schuld. Sie kam sich vor wie ein Kind, das man dabei erwischt hatte, wie es ein junges Kätzchen quält.
Es schmerzte sie um so mehr, als Iome sah, daß Raj Ahtens Schmerz echt war. Raj Ahten hatte seine Übereigner geliebt.
Nein, sagte eine Stimme in ihrem Hinterkopf, das stimmt nicht. Er will nur, daß du das glaubst. Es ist nur ein Trick, der geübte Einsatz seiner Stimmgewalt. Er liebt nur die Macht, die sein Volk ihm überläßt. Und doch fand sie es schwierig, an ihrer Skepsis festzuhalten.
»Gehen wir in den Thronsaal«, sagte Raj Ahten. »Ihr laßt mir keine Wahl in dieser Angelegenheit, als herzukommen und die Differenzen aus der Welt zu schaffen. Es betrübt mich, daß wir die Bedingungen einer… Kapitulation besprechen müssen.«
König Sylvarresta nickte und hielt den Kopf gesenkt.
Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Iome fiel das Atmen wieder leichter. Sie würden miteinander reden. Nur reden. Sie wagte auf Milde zu hoffen.
Auf einen Blick von Raj Ahten ritt seine Leibwache in den Bergfried der Übereigner ein und führte sein Pferd in den Innenhof, während der Wolflord selbst den Weg zum Bergfried des Königs zu Fuß zurücklegte.
Iome folgte ihrem Vater wie betäubt. Das grobe Pflaster unter den Sohlen ihrer Pantoffeln fühlte sich unbehaglich hart an. Chemoise blieb zurück, ging hinter dem Wagen her in den Innenhof des Bergfrieds der Übereigner, hielt die Hand ihres Vaters und flüsterte Eremon Vottania Solette beruhigende Worte zu.
Iome, ihr Vater und die drei Days, sie alle folgte Raj Ahten über den Markt, die reichste Straße von Heredon, vorbei an den eleganten Geschäften, wo Silber und Edelsteine, Porzellan und feines Tuch feilgeboten wurden, hinunter zum Turm des Königs.
Man hatte die Laternen im Turm bereits angezündet. Es war, wie Iome zugeben mußte, ein häßliches Gebäude. Ein gewaltiger, rechteckiger Block, sechs Stockwerke hoch, ohne jeden Zierat bis auf die granitenen Statuen vergangener Könige, die im Kreis das Fundament umstanden. Die Statuen selbst waren enorme Gebilde, jede sechzehn Fuß hoch. Längs der Dachrinnen oben auf dem Turm hatte man Akrotere und Wasserspeier in den Stein gehauen, doch die Figuren waren so klein, daß man sie vom Boden aus kaum erkennen konnte.
Iome wäre am liebsten davongelaufen, in eine Gasse hineingerannt, und hätte versucht, sich hinter einer der Kühe zu verstecken, die sich dort zur Nachtruhe hingelegt hatten. So heftig klopfte ihr Herz.
Als sie die Schwelle zum Bergfried des Königs überschritt, wäre sie fast in Ohnmacht gefallen. Ihr Vater drückte ihre Hand, half ihr, sich auf den Beinen zu halten. Iome wollte sich übergeben, statt dessen sah sie sich dann jedoch ihrem Vater die breite Treppe hinauf hinterhergehen, fünf Stockwerke hoch, bis sie die Gemächer des Königs erreicht hatten.
Raj Ahten führte sie durch das Audienzzimmer in den riesigen Thronsaal. Die Throne des Königs und der Königin waren aus lackiertem Holz gefertigt und mit scharlachroter Seide gepolstert. Goldene Filigranarbeiten schmückten die Blätter, die man in die Armlehnen und Beine der Sessel geschnitzt
hatte.
Es
waren
wenig
eindrucksvolle
Verzierungen. Sylvarresta hatte bessere Throne in der Mansarde eingelagert. Doch der Saal, in dem zwei Reihen mannshoher Erkerfenster nach Norden, Süden und Westen hinausgingen, war riesig. Zwei Laternen brannten zu jeder Seite des Throns, und in dem großen Kamin tanzte ein kleines Feuer.
Der Wolflord, der sich in seiner Rüstung sichtlich wohl fühlte, nahm auf dem Thron des Königs Platz.
Er nickte Lord
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