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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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dies für sie. Für sie. Sie ist alles. Sie ist es, die Ihr liebt. Ihr tut es für sie.«
    Iome stand benommen vor ihm und hörte die Schreie ihres Vaters, als das Zwingeisen heißer wurde. Sie tupfte ihm den Schweiß von der Stirn, während das Metall sich plötzlich verbog, als sei es lebendig. Sie blickte ihm in seine klaren, grauen Augen, indes das Zwingeisen ihm die Gabe entzog, ihm die Intelligenz aussaugte, bis sie sah, daß er sich nicht mehr an ihren Namen erinnern konnte, sondern nur noch schrie in irrer Qual.
    Als er den letzten Schmerzensschrei ausstieß, fing sie selber an zu schluchzen und brach auf der Stelle zusammen. Dann gingen die Annektoren mit dem weißglühenden Zwingeisen, das ein Lichtband hinter sich herzog, zu Raj Ahten hinüber.
    Dieser setzte seinen Helm ab, so daß ihm das lange Haar um die Schultern fiel, und Öffnete sein Lederwams, um seine muskulöse Brust freizulegen. Sie war mit einer Unmenge von Narben übersät, war dermaßen von Zwingeisen gezeichnet, daß Iome nur ein paar kleine Spuren unverletzter Haut dazwischen erkennen konnte.
    Während er die Gabe entgegennahm, lehnte sich Raj Ahten im Thron zurück, mit vor Glückseligkeit glasigen Augen beobachtete er Iome genau.
    Sie wollte sich wütend auf ihn stürzen, mit ihren Fäusten auf ihn einschlagen, traute sich jedoch nicht, saß nur am Kopf ihres Vaters, strich ihm das Haar zurück und versuchte, ihn zu trösten.
    Der König öffnete die Augen, als er für eine halbe Sekunde das Bewußtsein wiedererlangte, starrte offenen Mundes hoch zu Iome und schien zu überlegen, welch seltsames und schönes Geschöpf er vor sich sah. »Gaaa«, brüllte er, dann breitete sich eine Pfütze aus Urin auf dem Teppich unter ihm aus.
    »Vater, Vater«, flüsterte Iome und küßte ihn in der Hoffnung, er werde mit der Zeit wenigstens begreifen, daß sie ihn liebte.
    Mit ihren Zauberformeln fertig, verließen die Annektoren den Raum. Raj Ahten langte zu seinem Schwert hinüber und zog es aus dem Thron der Königin.
    »Komm, nimm deinen Platz neben mir ein«, forderte er sie auf. Wieder sah sie die unverhohlene Lust in seinem Gesicht und wußte nicht, ob ihn nach ihrem Körper oder nach ihren Gaben gelüstete.
    Iome war schon auf halbem Weg zum Thron, da bemerkte sie, daß er die Macht seiner Stimme benutzt hatte, um ihr zu befehlen. Es ärgerte sie, auf diese Weise beeinflußt zu werden.
    Sie setzte sich auf den Thron, versuchte, Raj Ahten nicht ins Gesicht, in das unfaßbar ansehnliche Gesicht zu blicken.
    »Begreifst du, warum ich das tun muß?« fragte er.
    Iome antwortete nicht.
    »Eines Tages wirst du mir dankbar sein.« Raj Ahten blickte sie einen Augenblick lang offen an. »Hast du im Haus des Verstehens studiert, oder hast du die Chroniken gelesen?«
    Iome nickte. Sie hatte die Chroniken gelesen zumindest ausgewählte Passagen.
    »Hast du den Namen Daylan Hammer gehört?«
    Ja, das hatte sie. »Ihr meint den Krieger?«
    »Die Verfasser der Chroniken nannten ihn die ›Summe aller Menschen‹. Vor sechzehnhundertachtundachtzig Jahren besiegte er hier auf dem Gebiet von Rofehavan die Toth-Invasoren und ihre Zauberer. Er besiegte sie fast ganz allein.
    Er besaß so viele Gaben des Durchhaltevermögens, daß, wenn ein Schwert sein Herz durchbohrte, dieses beim Herausziehen der Klinge bereits wieder verheilte. Weißt du, wie viele Gaben dafür nötig sind?«
    Iome schüttelte den Kopf.
    »Aber ich«, sagte Raj Ahten und zog sein Hemd hoch.
    »Versuch es, wenn du magst.«
    Iome hatte ihren Dolch unter ihren Röcken festgebunden. Sie zögerte nur einen Augenblick. Es schien teuflisch, doch vielleicht bekam sie nie wieder Gelegenheit, den Mann zu erstechen.
    Sie zog ihn heraus, sah dem Wolflord in die Augen. Raj Ahten beobachtete sie siegesgewiß. Sie stieß ihm den Dolch zwischen die Rippen, sah den Schmerz in seinen Augen, hörte, wie er ein erschrockenes Keuchen von sich gab. Sie drehte die Klinge, doch es floß kein Blut an der Kehle entlang. Nur ein dünner, rötlicher Film sickerte an der Stelle hervor, wo der Stahl in das Fleisch eingedrungen war. Sie zog den Dolch heraus.
    Die Wunde schloß sich mit dem Herausziehen der blutverschmierten Klinge.
    »Siehst du?« meinte Raj Ahten. »Weder das Gift deiner Mutter noch dein Dolch können mir etwas anhaben. Nie hat es unter den Runenlords einen gegeben, der Daylan ebenbürtig war. Bis heute. In meinem Land erzählt man sich, er brauchte keine Gaben mehr zu übernehmen, als er genug davon

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