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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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soll. Ich vermisse dich einfach.
    â€žIch denke, dass Sie keineswegs die ganze Geschichte kennen, Pfarrer“, sagte sie.
    â€žIch glaube doch“, erwiderte er milde und ließ seinen Blick auf der Narbe an ihrer Braue ruhen.
    â€žDann verstehen Sie sicher, weshalb ich keinerlei Bedürfnis verspüre, ihn zu besuchen.“
    â€žAuch Sie sind nur ein Mensch, und der Mensch versucht von Natur aus, sich zu schützen. Das verstehe ich durchaus.“
    â€žAber …?“
    â€žAber er hat sich verändert.“
    Sie blickte zu Boden und schüttelte den Kopf. „Pfarrer …“
    â€žWissen Sie, warum er Lesen und Schreiben gelernt hat?“
    Sie schaute auf.
    â€žDer Unterricht ist freiwillig. Zweimal die Woche kommt eine Lehrerin aus der Gegend hierher. Er besucht ihre Stunden schon seit Jahren. Und wissen Sie, warum?“ Als sie nicht antwortete, tat er das: „Damit er Ihnen schreiben kann.“
    Ungläubig sah sie ihn an.
    â€žEr mag meinen Gottesdienst am Sonntag nicht besuchen – meint, dass der Papst nicht einverstanden wäre. Aber ich gebe jeden Mittwochnachmittag freiwillige Bibelstunden, und er hat noch keine einzige versäumt. Oft bleibt er danach noch, um mit mir zu reden. Er erzählt mir, was ihm so durch den Kopf geht, bittet mich um Rat … Manchmal beten wir gemeinsam.“
    Sie schwieg weiterhin.
    â€žKommen Sie mir jetzt nicht damit, dass ein Mensch sich nicht verändern könne“, sagte er.
    â€žNatürlich ist das möglich. Aber Duncan, er ist …“
    â€žEs gibt keine Ungeheuer auf Erden“, wiederholte er. „Auch er ist nur ein Mensch. Ein schwacher Mann zwar, der vom rechten Pfad abgekommen ist, doch seit er das eingesehen hat, arbeitet er sehr hart daran, ein besserer Mensch zu werden.“
    Eingehend betrachtete sie den Boden. Nell, ich schwöre bei Gott, dass ich dir nicht mehr schreiben werde wenn du mich nur einmal besuchst und mich dir sagen lässt wie leid es mir tut.
    â€žWir haben ein Besuchszimmer“, ließ Pfarrer Beals sie wissen. „Zu dieser Zeit ist es meist leer. Duncan ist zwar gerade drüben in der Steinwerkstatt, aber ich könnte …“
    â€žIch will nicht mit ihm allein sein“, sagte sie.
    Eine Sekunde verstrich. Dann lächelte der Geistliche. „Ich werde vor der Tür stehen bleiben und warten – damit ich höre, wenn Sie nach mir rufen.“

6. KAPITEL
    â€žNell?“ Duncan stand auf der Türschwelle des kleinen, karg möblierten Besuchszimmers und schaute sie an, als sei sie eine Vision der Heiligen Jungfrau Maria. Selbst in einem ärmellosen Unterhemd und gestreiften Gefängnishosen, Steinstaub im honigblonden Haar und auf der schweißbedeckten Haut, sah er beängstigend gut aus.
    Gefährlich gut.
    Gut aussehender Kerl, aber zu nichts nutze, um mit den Worten von Bridies Mutter zu sprechen.
    Pfarrer Beals, der hinter Duncan stand, suchte Nells Blick und sagte: „Ich warte draußen.“
    Sie nickte. Duncan kam herein, duckte sich unwillkürlich ein wenig, wie große Männer das oft tun, und schon hatte Pfarrer Beals die Tür hinter ihm geschlossen.
    Einen langen Augenblick sahen sie sich schweigend an.
    â€žIch kann’s ja gar nicht glauben!“, meinte Duncan dann mit schroffer und dabei doch irgendwie sanfter Stimme, die sie immer an das Schnurren eines Löwen erinnert hatte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du jemals kommen würdest. Und jetzt bist du doch gekommen, und schau nur, wie ich aussehe!“ Er klopfte sich seine Hose ab, wobei eine Staubwolke aufstob, die in den Sonnenstrahlen glitzerte, die durch das vergitterte Fenster einfielen. „Und schau dich nur an“, sagte er leise und fast ehrfürchtig. „Mein Gott, Nell, du siehst ja aus wie …“
    Sichtlich beeindruckt musterte er sie – das schicke Hütchen, das schmeichelnd geschnittene Kleid mit dem Prinzessrock, ihre behandschuhten Hände, die sie fest ineinander verschränkt hielt, ihre Augen, ihren Mund …
    â€žDu siehst aus wie …“ Wie eine Dame. Zumindest glaubte sie, dass er das sagen würde. Stattdessen sagte er: „Wie ein Engel.“
    Nell verspürte das törichte Bedürfnis, ihm für das Kompliment zu danken, doch es schien ihr die Sprache verschlagen zu haben, und sie brachte kein Wort hervor.
    Er machte einen Schritt auf sie zu.
    Sie wich zurück und

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