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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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etwas darüber herauszufinden.“
    Pfarrer Beals’ Brauen zogen sich in tiefer Konzentration zusammen, als er das Schreiben las.
    â€žHat Mr. Hines Ihnen zufällig erzählt, was er nach seiner Entlassung vorhatte?“, fragte Nell ihn.
    â€žJa, natürlich“, erwiderte der Pastor. „Ich bespreche immer die Pläne eines zur Bewährung entlassenen Häftlings mit ihm, damit ich mich darüber mit seinem Bewährungshelfer beraten kann. Virgil hatte schon ganz konkrete Pläne, weshalb ich nun auch etwas verwundert bin, dass er hier in der Gegend geblieben sein soll. Eigentlich kam er nämlich aus Salem. Hat immer davon erzählt, dass er dahin zurückwolle, sobald er freikäme. Er hatte vor, seine hier erlernten Fähigkeiten zu nutzen und sich im Steinbruch von Cape Ann Arbeit zu suchen und so lange zu sparen, bis er sich ein eigenes Gehöft kaufen konnte.“
    â€žMeinte er das ernst?“
    â€žSo hat er es mir zumindest erzählt. In seiner Familie waren die Männer seit Generationen zur See gefahren. Er liebte es, an der Küste zu leben und auf See zu sein – während des Bürgerkriegs hat er sich zur Marine gemeldet –, aber dann kam er zu dem Schluss, dass die Fischerei ein zu hartes Leben ist, weil man ständig von seiner Familie getrennt ist.“
    â€žIch habe gehört, dass er von seiner Zeit bei der Marine eine recht ungewöhnliche Tätowierung zurückbehalten hat …“
    â€žEr hat auf der U.S.S. Kearsage gedient, als sie die Alabama im Juni 64 versenkt haben. Die Offiziere und die gesamte Mannschaft haben sich zur Erinnerung an den Sieg solche Sterne auf die Stirn tätowieren lassen.“
    â€ž Alle ?“, fragte Nell ungläubig.
    â€žZumindest die meisten. Ich war sehr froh zu hören, dass er sich nun entschieden hatte, sein Leben der Landwirtschaft zu widmen und sich nicht länger als Taschendieb durchzuschlagen. Eine sehr ehrenhafte Berufung, und das habe ich ihm auch gesagt. Als er entlassen wurde, schenkte ich ihm ein kleines Briefpult, damit er mir schreiben und mich wissen lassen könne, wie sich die Dinge entwickelten.“
    â€žUnd hat er das getan?“, wollte Nell wissen.
    â€žNoch nicht … nein“, bekannte Beals und strich einen Fussel von der Armlehne seines Sessels. „Aber ich bin mir sicher, dass er es tun wird, sobald er sich auf seinem Hof niedergelassen hat.“
    â€žEin wohlbedachtes Geschenk“, bemerkte Nell.
    â€žUnser Pfarrer Beals hier ist einer von diesen Reformern“, vertraute Whitcomb ihr nachsichtig lächelnd an. „Ein Anwalt des einfachen Mannes, müssen Sie wissen.“
    â€žDie Gefangenen können froh sein, Sie zu haben“, sagte Nell zu dem Geistlichen.
    Ein zurückhaltendes, etwas unbestimmtes Lächeln huschte über die Miene des Pfarrers. Er schlug den Blick nieder und fuhr sich wie tief in Gedanken versunken mit den Fingern durch das Haar. „Mir kommt die Seelsorge der Gefangenen nur übergangsweise zu, Miss Sweeney – bis ein Nachfolger gefunden ist für den alten Pfarrer Bannister, Gott habe ihn selig. Deshalb komme ich auch nur an zwei Tagen die Woche hierher. Eigentlich bin ich Pastor an der Emmanuel Church in der Newbury Street in Boston. Hier habe ich bislang schon acht Monate ausgeholfen, und es waren die erfreulichsten acht Monate meiner Laufbahn.“
    â€žDie Gefangenen verstehen sich sehr gut mit ihm“, ließ Whitcomb Nell wissen.
    â€žGut genug, um völlig aufrichtig mit Ihnen zu sein?“, fragte sie den Geistlichen. „Ich meine, würde Mr. Hines Ihnen wohl auch von seinen Plänen erzählt haben, wenn sie … nun ja, alles andere als ehrenhaft gewesen wären?“
    Der Pfarrer lächelte. Es war ein durchaus angenehmes Lächeln, das aber doch nicht gänzlich verbergen konnte, dass er sie derweil interessiert musterte – wenngleich mit einer seinem Berufsstand angemessenen Zurückhaltung. „Manche erzählen mir tatsächlich alles. Sie würden es kaum glauben, was ich mir schon angehört habe, und was ich ihnen alles wieder ausgeredet habe. Andere halten sich da etwas mehr bedeckt.“
    â€žUnd zu welcher Sorte gehörte Mr. Hines?“, wollte Nell wissen.
    â€žZu der freimütigen – sehr sogar. Er redete gern, und unsere Gespräche gaben ihm Gelegenheit, genau das zu tun. Trotz seiner kriminellen Vergangenheit machte er

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