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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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auf mich immer einen etwas arglosen Eindruck. Ja, ich glaube wirklich, dass er vorhatte, nach Salem zurückzukehren und Bauer zu werden – eines Tages einmal.“
    â€žHat er mit Ihnen jemals über Frauen gesprochen?“, fragte Nell.
    Beals lachte stillvergnügt. „Welcher Vierundzwanzigjährige würde wohl nicht über Frauen sprechen? Er war keinesfalls unbedarft, was das anbelangte – hatte einige Freundinnen gehabt –, war aber auch kein Frauenheld. Er schien sie fast zu … verehren. Wenn Sie mich damit fragen wollen, ob er dieses Mädchen gegen ihren Willen verschleppt haben könnte – oder gar noch Schlimmeres –, dann lautet meine Antwort Nein.“
    Natürlich würde er das sagen. Ein Anwalt des einfachen Mannes, müssen Sie wissen.
    â€žKönnen wir Ihnen denn noch weiter behilflich sein, Miss Sweeney?“ Whitcomb zog seine Taschenuhr hervor und klappte sie auf.
    Nell hätte bestimmt auch einen weniger offensichtlichen Wink verstanden. „Nein, Sie haben mir beide schon sehr geholfen“, meinte sie und stand auf, woraufhin die beiden Männer sich gleichfalls erhoben. „Es war sehr nett, Sie kennengelernt zu haben“, verabschiedete sie sich beim Gefängnisdirektor und dann auch bei Pfarrer Beals.
    â€žIch bringe Sie noch hinaus“, erbot sich der Geistliche und ließ ihr an der Tür des Büros den Vortritt.
    â€žMir imponiert sehr, wie Sie mit diesen Gefangenen umgehen, Pfarrer“, sagte Nell, als er sie den Gang hinunter begleitete, „wie sie versuchen, auch die Menschen hinter den Verbrechern zu sehen.“
    â€žGottes Gnade allein ist es gedankt, dass dieser Kelch an uns – an Ihnen und an mir – vorüberging.“
    Oh nein, dachte Nell und erinnerte sich an die Zeiten, als Gottes Gnade nicht gar so hell in ihrem Leben geschienen hatte wie in den letzten paar Jahren. Sie fragte sich, ob Duncan Pfarrer Beals wohl auch in die weniger erbaulichen Details ihres Lebens eingeweiht hatte. Auf einmal schien ihr, als würde sie splitterfasernackt über den Korridor laufen.
    â€žDiese Gefangenen sind Menschen wie Sie und ich.“ Beals lief neben ihr her, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Blick auf den steinernen Boden vor sich gerichtet. Nun fiel ihr auf, dass sein rechtes Bein es war, das seinen Gang ein wenig behinderte – jedoch nicht sehr –, und sie hatte den Eindruck, als sei die leichte Unsicherheit beim Gehen nicht einem kürzlichen Unfall geschuldet, sondern ein altes Leiden, in das der Geistliche sich schon lange hineingefunden hatte.
    â€žEs gibt keine Ungeheuer auf Erden“, fuhr er fort, „sondern nur Menschen, deren Seelen in einem unentwickelten Zustand verharren. Das Problem ist meist, wie wir aufwachsen – oder eher nicht aufwachsen. Die meisten dieser Gefangenen hatten keine richtige Familie und bekamen keine religiöse Unterweisung. Viele von ihnen waren Straßenkinder, die man von frühester Kindheit an hinaus in die Welt geworfen hatte, damit sie sich dort allein durchschlugen …“ Er sah sie an. „So wie Duncan.“
    Sie blieb stehen. Er auch.
    Einen quälend langen Augenblick herrschte Stille. Er schaute sie an, sie hingegen blickte auf den mit Granitsteinen gepflasterten Boden.
    â€žDie Haare meiner Frau waren von derselben Farbe wie die Ihren“, sagte er plötzlich.
    Schlagartig sah sie auf.
    Er blickte beiseite und strich sich mit den Fingern sein Haar in die Stirn – eine leidige Angewohnheit, wie ihr schien. „Sicher wussten Sie doch, dass Geistliche der Episkopalkirche heiraten dürfen“, meinte er.
    â€žIch … ja, ich denke schon, dass ich es wusste.“
    â€žSie ist gestorben. Ein Bootsunfall.“
    â€žDas tut mir sehr leid.“
    â€žEs ist acht Jahre her“, sagte er, als würde dies die Tragödie abmildern.
    â€žSie muss recht jung gewesen sein – und Sie auch.“
    Er nickte, wobei er sich sichtlich in seiner Haut nicht wohlfühlte. „Wissen Sie, ich weiß einiges über Männer und Frauen – über die Bande, die entstehen können, und darüber, was Liebe zu überwinden vermag … und wie verzehrend sie ist. Ich kenne mich aus mit der Leidenschaft, mit der Einsamkeit … besonders mit der Einsamkeit.“
    Ich habe dich sehr vermisst in den letzten acht Jahren. Ich weiss keine schönen Worte wie ich das sagen

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