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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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benutzt. Er wurde zu drei Jahren verurteilt, hat aber nur eines abgesessen – vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung.“
    â€žAh ja.“ Ungefähr dreißig Jahre war es nun her, dass der Staat Massachusetts diese neue Form der Gnade walten ließ – soweit Nell wusste, noch immer einzigartig im ganzen Land. Nachdem ein Häftling ein Drittel seiner Strafe verbüßt hatte, konnte er bei guter Führung entlassen werden, stand allerdings unter Beobachtung und würde erneut in Gewahrsam genommen werden, falls er zu seinen alten Gewohnheiten zurückkehrte. Aus durchweg eigennützigen Gründen konnte Nell dem Bewährungssystem herzlich wenig abgewinnen. Gott stehe ihr bei, sollte Duncan so bald wieder freikommen!
    â€žMr. Hines wurde im Mai entlassen, nicht wahr?“, fragte sie nach.
    â€žAus dem Stegreif kann ich mich zwar nicht an das genaue Datum erinnern, aber es wird so Anfang Mai gewesen sein. Es überrascht mich übrigens nicht, dass er derart rasch eine Freundin gefunden hat. Er war ja kein übel aussehender Bursche, wenngleich etwas schwächlich, als er hierherkam. Aber er ist dann gleich zum Steinebrechen eingeteilt worden, und da hat er sich prächtig entwickelt. Nichts ist besser für die Konstitution und allgemeine körperliche Ertüchtigung als Steine zu schlagen.“
    â€žAh ja“, sagte Nell, „ich hatte mich schon gefragt, was das wohl für ein Lärm wäre.“
    â€žWir bekommen Granitplatten aus dem Steinbruch angeliefert und lassen sie hier zu Pflastersteinen und Schindeln zurechtschlagen. Unsere Männer leisten beste Arbeit, und das zu einem unschlagbar günstigen Preis. Das Geschäft läuft gut, und ich bin außerordentlich stolz darauf, dass wir mittlerweile sogar Abnehmer in …“ Whitcomb schweifte ab und schaute an Nell vorbei. „Ah, Pfarrer Beals.“
    Nell drehte sich zu dem Mann um, der in die Tür getreten war. Wäre nicht seine schlichte schwarze Kleidung gewesen und der neuerdings von anglikanischen Geistlichen getragene schmale weiße Kragen, nie wäre sie darauf gekommen, dass dies der „episkobalische Pastor“ sei, den Duncan in seinem Brief erwähnt hatte. Er war nicht einmal annähernd so alt, wie sie ihn sich vorgestellt hatte – allenfalls Mitte dreißig, schätzte sie. Sein braunes Haar trug er etwas länger als üblich und an der Seite gescheitelt, sodass es ihm schräg in die Stirn hing. Ihr fielen vor allem seine Augen auf, die ein wenig wehmütig blickten und tief dunkel waren, was einen interessanten Gegensatz zu seiner eher blassen Haut bildete.
    â€žEntschuldigen Sie die Störung, Mr. Whitcomb“, sagte Beals und trat einen Schritt zurück. „Ich wusste nicht, dass Sie …“
    â€žAch was“, der Direktor winkte ab, „kommen Sie, mein Freund, damit ich Sie vorstellen kann.“
    Der Geistliche kam mit etwas unsicheren Schritten herein – kein eigentliches Humpeln, aber doch schien es, als ob eines seiner Beine ihm nicht so gute Dienste erweise wie das andere.
    â€žMiss Nell Sweeney, dies ist Pfarrer Adam Beals, unser Geistlicher. Mit Pfarrer Beals sollten Sie sich ausführlicher unterhalten, Miss Sweeney. Und Sie haben wahrlich Glück, dass Sie ihn erwischt haben, denn er ist nur sonntags und mittwochs hier.“
    â€žSehr erfreut, Miss …“, Pfarrer Beals verharrte inmitten seiner Verbeugung und schaute vielsagend zu ihr auf, „… Sweeney.“
    â€žPfarrer.“ Nell neigte grüßend den Kopf und sah dann rasch beiseite. Sie wusste, dass er sie sofort mit Duncan in Verbindung gebracht hatte, der sie gewiss ihm gegenüber erwähnt hatte. Hoffentlich brachte der Pastor das nicht vor dem Direktor zur Sprache! Bitte, St. Dismas, bitte bitte bitte, lass ihn den Mund halten. Von all den Geistern ihrer Vergangenheit war Duncan der bei Weitem gefährlichste.
    â€žSetzen Sie sich doch, Pfarrer.“ Whitcomb deutete auf den Ledersessel neben Nell und ächzte vor Anstrengung, als er sich über den Schreibtisch lehnte, um dem Geistlichen Violas Brief zu reichen. „Soweit ich mich erinnere, kannten Sie Virgil Hines recht gut. Sieht so aus, als wären er und eine junge Dame hier aus der Gegend kürzlich verschwunden. Miss Sweeney versucht im Auftrag ihrer Arbeitgeberin Mrs. August Hewitt – die Mutter der jungen Dame hat Mrs. Hewitt um Hilfe gebeten –

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