Dunkel wie der Tod
stieà an den alten verschrammten Holztisch, der in der Mitte des Zimmers stand.
Duncan zögerte, lieà den Kopf sinken und rieb sich den Nacken. âWollen wir uns setzen?â Vorsichtig ging er zum Kopfende des Tisches, rückte ihr einen Stuhl zurecht, ging dann zum anderen Ende und zog sich selbst einen Stuhl heran.
Nell setzte sich, strich sich über den Rock, faltete ihre Hände vor sich auf dem Tisch.
Duncan nahm ihr gegenüber Platz, zog ein schmuddeliges Taschentuch aus seiner Hose und wischte sich den Staub vom Gesicht. âIch würd mich ja rasiert haben, wenn ich gewusst hätte, dass du kommstâ, sagte er, während er sich mit dem Tuch über sein stoppeliges Kinn fuhr.
âIch â¦â Nell blieben abermals die Worte im Hals stecken. Sie räusperte sich. âIch hätte nicht kommen sollen.â
âSag das nichtâ, bat er sie und streckte seine Hand über den Tisch.
Nell wich zurück.
Er biss die Zähne zusammen und zog seine Hand zurück. âSag das bitte nicht. Du weiÃt nicht, wie sehr ich mir das gewünscht habe. Du kannst dir nicht vorstellen, was es mir bedeutet, dich wiederzusehen, zu sehen, dass du so â¦â Mit einem Mal wirkte er ernüchtert. âZu wissen, dass ich dich nicht ⦠dass, was ich dir getan habe, wie ich zu dir war, dich nicht ⦠zerstört hat.â
âIch wäre fast gestorben.â
Duncan schloss die Augen.
âUnd das Baby ist gestorbenâ, fügte sie hinzu.
Er schluckte schwer. âEs tut mir leid, Nell.â Mit feucht schimmernden Augen sah er sie an, seine Stimme klang heiser: âMehr, als ich dir sagen kann. Ich war â¦â Er schüttelte den Kopf. âIch wollt sagen, dass ich betrunken war. Aber ich war nur â¦â Er lehnte sich zurück und stieà einen tiefen Seufzer aus. âIch war wütend auf dich, weil du mich verlassen wolltest, und dann waren sie noch wegen Ripley hinter mir her. Es war, als ob du mich allein lassen würdâst, wo ich dich am dringendsten gebraucht hätte. Ich hab nicht verstehen können, dass es meine Schuld war, dass du einfach genug hattest.â
Sie nickte abwesend. âJa. Nun denn ⦠ich weià deine Worte zu schätzen, Duncan. Pfarrer Beals hat mir gesagt, du hättest dich verändert, und dir zuliebe hoffe ich, dass es wahr ist.â
âEs ist wahrâ, versicherte er ihr inständig. âDu kannst mir glauben.â
âDas freut michâ, meinte sie, wenngleich sie von seinen Worten nicht überzeugt war. Duncan war schon immer ein guter Schauspieler gewesen. âIch hoffe, du nimmst dein Versprechen ernst, mir nicht mehr zu schreiben, wenn ich dich besuchen käme. Meine Stelle bei den Hewitts bedeutet mir sehr viel. Ich liebe Gracie â das kleine Mädchen, um das ich mich kümmere â, als wäre sie meine eigene Tochter. Mrs. Hewitt weià nichts davon ⦠wie ich früher war. Ãber dich ⦠über das alles. Von einer Gouvernante wird erwartet, dass sie über Fehl und Tadel erhaben ist. Wenn sie jemals herausfänden â¦â
âIch hab dir genug Schlechtes getan. Keine Sorge, ich schick keine Briefe mehr.â Er lächelte. âDu redest wie gedruckt, oder fast. Nicht richtig piekfein, aber ⦠anders als früher.â
âIch bin anders, und ich führe ein gänzlich anderes Leben. Aber ich werde das alles verlieren â und ich würde Gracie verlieren â, wenn etwas von meinem alten Leben bekannt würde. Ich habe nur zwei Menschen jemals davon erzählt â zwei Menschen, denen ich vertrauen konnte, und selbst ihnen habe ich nicht alles erzählt â¦â
âWem?â
âWem ich es erzählt habe? Zunächst einmal Dr. Greaves. Er war der Arzt, der mich behandelt hatte, nachdem â¦â
Duncan nickte und starrte vor sich auf den Tisch.
âEr war sehr gut zu mir, sehr freundlich. Auch danach. Ich habe ihm bei der Arbeit geholfen, und er hat mich in der Heilkunde unterrichtet und in ⦠na ja, noch in vielen anderen Dingen. Geschichte, Französisch, Schreiben, Umgangsformen ⦠Die nächsten vier Jahre habe ich bei ihm in East Falmouth gelebt. Die Köchin, die Haushälterin und ich hatten kleine Schlafkammern oben in seinem Haus.â Wenngleich sie in ihrer nur selten geschlafen hatte, nachdem sie erst einmal begonnen hatte, das Bett mit Dr. Greaves zu
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