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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Bishop, sich umzudrehen; Edith Metlok starrte über die Baumwipfel zur Stadt hinüber. »Sie gehen«, sagte sie einfach. »Die Stimmen sind verschwunden.«
    Jessica und Kulek traten zu ihnen ans Fenster.
    Bishop schüttelte den Kopf. »Warum gehen sie plötzlich? Wir hatten keine Chance gegen sie.«
    In Jacob Kuleks Stimme war Müdigkeit, als er sprach, und als Bishop sich zu ihm umdrehte, sah er, daß sich die Müdigkeit auch tief in sein Gesicht gegraben hatte. Während der blinde Mann sprach, fiel es Bishop auf, daß es genug Licht gab, um ihn zu sehen.
    »Die Dämmerung ist da«, sagte Kulek. »In meinen Augen ist ein Grau, wo vorher nur Schwärze war. Sie sind vor dem Morgenlicht geflohen.«
    »Gott sei Dank«, sagte Jessica leise, als sie sich an Bishop lehnte und seinen Arm ergriff. »Gott sei Dank ist es vorbei.«
    Kuleks blicklose Augen waren noch immer auf das nahende Licht gerichtet. Die Welt draußen war grau, fast farblos, aber nicht länger schwarz. »Nein, es ist nicht vorbei. Ich fürchte, daß es erst begonnen hat«, sagte er.

TEIL DREI

    Und es wird über ihnen brausen zu der Zeit wie das Brausen des Meeres. Wenn man dann das Land ansehen wird, siehe,
    so ist's finster vor Angst, und das Licht scheint nicht mehr über ihnen.
    Jesaja 5:30

1

    Viele wurden gefunden, die ziellos durch die Straßen der Stadt wanderten, völlig durcheinander, ihre Augen halb geschlossen, ihre Hände wie Schilde gegen den Glanz der Sonne gehoben.
    Andere kauerten in dunklen Räumen oder versteckten sich in den Kellern von Gebäuden, zu denen sie sich Zutritt verschaffen konnten. Das Londoner U-Bahn-System brach zusammen, als schockierte Fahrer aus ihren Zügen wankten, den Anblick zahlloser Körper vor Augen, durch die sie in den schwarzen Tunnel gepflügt waren. Ein Alptraum, den sie nie vergessen würden. Eine Durchsuchung des Kanalisationsnetzes wurde angeordnet - drei Männer, die am Tage zuvor dort eine Inspektion gemacht hatten, waren nicht zurückgekehrt und die Suchmannschaft kam ebenfalls nicht wieder. Leichen wurden auf den Straßen gefunden, bei vielen waren die Körper ausgemergelt, ihre Kleidung zerfetzt. Einige hatte sich selbst das Leben genommen, andere waren verhungert. Nicht alle befanden sich in einem hilflosen Zustand: Viele waren entsetzt, erinnerten sich an die Gewalttaten, die sie während der Nachtstunden begangen hatten, waren aber unfähig, sie zu erklären. Manche wurden von ihren Familien versteckt, wenn es ihnen gelang, den Weg nach Hause zu finden. Waren sie erst einmal sicher, bestanden sie darauf, daß die Vorhänge gegen das grelle Tageslicht zugezogen wurden; sie lauschten aufmerksam den Berichten über die Massengewalttätigkeiten der vergangenen Nacht, fürchteten sich aber, zur Polizei zu gehen. Verstört durch das, was geschehen war, weigerten sie sich, draußen Hilfe zu suchen, da sie wußten, daß jeder, der an den Tumulten beteiligt war, festgenommen und fortgebracht wurde. Es war Mittag, bis das Heulen der Feuerwehrsirenen aufhörte, doch der Lärm der Krankenwagen, die durch die Straßen jagten, setzte sich bis zum Nachmittag fort. Nie ließ sich genau feststellen, wie viele ums Leben gekommen waren oder wie viele Hirne in dieser ersten Nacht des Schreckens in Mitleidenschaft gezogen worden waren, denn die Ereignisse danach nahmen solch gewaltige Ausmaße an und ereigneten sich mit solcher Geschwindigkeit, daß es hoffnungslos wurde, den menschlichen und materiellen Schaden genau erfassen zu wollen. Die wichtigste Aufgabe war, zu überleben, nicht Einzelheiten zu registrieren.
    Es begann in der folgenden Nacht wieder.
    Und setzte sich in der Nacht darauf fort.
    Und in der nächsten.
    Die Versammlung im Tempel der Neuen Auserwählten war früher an diesem Nachmittag zusammengekommen, da man wußte, daß sie wegen des Ausgehverbotes ab fünf ihre Häuser nicht verlassen und sich nicht zu dem modernen, weißgetünchten Gebäude würden begeben können. Man hatte ihnen befohlen zu schweigen, während sie warteten - Bruder Martin wollte nicht, daß ihre Anwesenheit in der Kirche bekannt wurde —, doch in ihren Köpfen ging sowieso alles durcheinander. Sie fürchteten sich, waren zugleich voller Gier. Ihr Führer hatte ihnen erzählt, was kommen würde, und sie glaubten seinem Wort. Bruder Martin hatte das Wissen, denn er hatte mit dem Dunkel gesprochen.
    In einem Raum am hinteren Ende der Kirche — die eigentlich keine richtige Kirche war, sondern eine Versammlungshalle mit

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