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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Dunkelheit hat es nicht bezwungen.« Das Evangelium des Johannes. Doch der Mensch konnte das Licht bezwingen. Bruder Martin kicherte in sich hinein, und seine Augenhöhlen glichen dunklen Schatten im Kerzenlicht.
    »Tretet vor und trinkt den Trank, der uns zu einem Ganzen machen wird.« Bruder Martin streckte der Versammlung seine Arme entgegen.
    Trotz der Kälte, die durch die geöffneten Türen drang, brachen Schweißtropfen auf Bruder Johns Stirn aus. O Mann, o Mann, er will es wirklich tun. Er will sie wirklich alle töten. Randall glaubte tatsächlich all diesen Unsinn, den die Leute von dem Dunkel erzählten. Gott, wußte er nicht, daß das nur Gerede war? Auf der Straße wußte es jeder: Es war ein chemisches Gas, das im Sonnenlicht oder bei anderem Licht nicht aktiviert werden konnte. Niemand wußte, wer es eingesetzt hatte - eine ausländische Macht, Terroristen? Die verdammten britischen Wissenschaftler selbst? Niemand auf der Straße wußte das. Vielleicht diese Mistkerle, die an der Macht waren. Nur daß sie es nicht sagten. Bleibt nachts drinnen, schaltet die Lichter an — das war alles, was sie sagten. Polizei und Armee patrouillierten nach der Sperrstunde, ob die Vorschrift eingehalten wurde. Zu ihrem eigenen Schutz hatten sie starke Suchscheinwerfer dabei. Und dieser blöde Hund Randall mißachtete das Gesetz, schaltete alle Lichter aus und befahl, die Türen zu öffnen. Was, zum Teufel, würde geschehen, wenn er feststellte, daß die Mischung in diesen Schüsseln kein Zyankali enthielt? Was würde er tun, wenn diese verdammten dämlichen Schafe, die ihm folgten, nicht tot umfielen, nachdem sie den Todes trank getrunken hatten? Er wußte, wen es treffen würde: Der nette Bruder John hatte den Auftrag gehabt, das Gift zu besorgen. Wo, zum Henker, dachte Randall, sollte er genügend Zyankali herbekommen, um hundertundfünfzig Frauen zu töten?
    Bruder John begann seinen Weg durch den Seitengang zu nehmen, fort von den drei Behältern mit Saisbury -Branntwein, auf die offene Tür zu. Zeit zu verschwinden. Das hätte er schon längst vorher tun sollen.
    Die Versammlung drängte vorwärts. Jeder hielt einen Plastikbecher in der Hand, die beim Betreten des Tempels ausgeteilt worden waren. Bruder Martin lächelte liebevoll, als sie an ihm vorbeigingen. Eine Frau Anfang Vierzig warf sich auf ihn, ihr Gesicht tränenüberflossen, und ihre Nase lief. Helfer hielten sie zurück, und Bruder Martin tröstete sie mit Worten, die sie kaum hörte. Ein Mann in den Sechzigern ging an ihm vorbei, die Augen niedergeschlagen.
    »Ich fürchte mich, Bruder Martin«, sagte er.
    Bruder Martin streckte beide Hände aus und berührte die Schultern des Anhängers. »Das tun wir alle, Bruder...
    Wie, verdammt, war doch gleich sein Name? »Lieber Freund, aber unsere Furcht wird bald großer Freude weichen. Habe den Glauben an mich. Ich habe mit dem Dunkel gesprochen.« Jetzt beweg dich schon, du blöder Hund, bevor du die anderen ängstigst.
    Es war wichtig, daß die euphorische Stimmung, obgleich es eine gespannte Euphorie war, nicht gebrochen wurde. Wenn jemand in Panik geriet, würden die anderen folgen. Er brauchte sie aber alle, wollte ihre Kraft, denn er hatte tatsächlich mit dem Dunkel gesprochen. Oder zumindest hatte er geträumt, mit ihm gesprochen zu haben. Das kam auf dasselbe hinaus.
    Das Dunkel wollte ihn, aber es wollte auch seine Leute. Je mehr Leben es bekäme, desto stärker würde es werden, Bruder Martin, alias Marty Randall, war glücklich, der Rekrutierungsoffizier des Dunkel zu sein.
    Die Menschen bewegten sich in geordnetem Fluß auf die Schalen zu und dann zurück zu ihren Plätzen. Sie beachteten nicht, daß Bruder John zur Tür ging; die allgemeine Düsterkeit des Inneren bot zudem Schutz. Dennoch rechnete John damit, daß Bruder Martin ihn jeden Augenblick zurückrufen würde, und je weiter er sich von seinem Führer entfernte, desto nervöser wurde er. Er leckte seine Lippen und merkte, daß seine Kehle trocken war. Einige aus der Herde schauten ihn forschend an, und er mußte nicken und ihnen beruhigend zulächeln. Er war dankbar, daß das Licht so schwach war, daß man die Schweißtropfen nicht sehen konnte, die er auf seinem Gesicht fühlte. Bruder Samuel stand noch immer an den geöffneten Türen und Bruder John näherte sich ihm vorsichtig. Dieser Mann war ein ergebener Anhänger, ein Dummkopf, dessen Hirn nur funktionierte, wenn er von jemand geführt wurde. Genau die Art von Typen, die Randall

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