Dunkel
frage mich, ob die jüngsten Ereignisse in der Willow Street Ihr Interesse wieder geweckt haben.«
Er verschluckte sich fast an seinem Sherry.
»Ich habe das Reedereigeschäft meines Vaters seit seinem Tod praktisch jahrelang allein geführt, mit außerordentlich wenig Hilfe meines werten Bruders Dominic.« Sie nickte zu einer gerahmten Fotografie hin, die auf einer Vitrine stand; das Bild zeigte einen rundgesichtigen jungen Mann mit schwarzgelocktem Haar. Die Ähnlichkeit mit Miss Kirkhope war minimal. »Gewiß, die Geschäfte gingen schließlich schlechter, aber das war im gesamten Reedereigeschäft so. Halten Sie mich bitte also nicht für eine Närrin, nur weil ich eine alte Frau bin. Ich verfolge die Nachrichten, und den Namen Willow Road kann man wohl kaum vergessen.«
Jessica sprach. »Es tut uns sehr leid, Miss Kirkhope. Ich hoffe, wir haben Sie nicht beleidigt. Chris hatte nicht die Absicht, wieder in das Haus zu gehen, bis ich ihn dazu überredete.«
»Wenn wir schon offen reden, dann auch ganz«, sagte Bishop. »Jacob Kulek hat mich beauftragt, Beechwood zu untersuchen - vorausgesetzt, Sie geben die Erlaubnis. Wir wollen keine alten Erinnerungen bei Ihnen wecken, aber Jessica und ihr Vater glauben, daß es eine Verbindung zwischen Beechwood und den jüngsten Todesfällen in der Willow Road gibt.«
»Meinen Sie, daß das stimmt?«
Bishop zögerte einen Moment. »Nein, das nicht. Aber...«, er schaute zu Jessica hinüber, »...ich denke, man sollte einmal nachschauen. Jacob Kulek ist eine anerkannte Persönlichkeit auf seinem Gebiet. Seine Meinung zu diesem Thema sollte respektiert werden. Er kannte übrigens Ihren Bruder und einen Mann namens Pryszlak, der ein Kollege Ihres Bruders war.« Er sah, daß die Frau bei der Erwähnung von Pryszlaks Namen zusammenzuckte.
»Ich habe Dominic vor diesem Mann gewarnt.« Ihre Lippen bildeten eine dünne Linie. »Mein Bruder war ein Narr, kaum mehr als ein Hanswurst, aber Pryszlak war böse. Das wußte ich, als ich ihn sah. Ein Sohn des Teufels.«
Jessica und Bishop waren über den Ausbruch erstaunt. Die Spannung wich ebenso schnell aus der Frau. Sie lächelte sie fast schelmisch an.
»Ich versuche, mich durch diese Dinge jetzt nicht mehr ärgern zu lassen, meine Lieben, aber manchmal kommen die Erinnerungen wieder. Angenommen, ich gäbe Ihnen die Erlaubnis. Was würden Sie tun?«
»Sie hätten keine Einwände?« fragte Bishop überrascht.
»Ich habe das nicht gesagt«, kam die kurze Erwiderung.
»Nun, ich wüßte zunächst einmal gern mehr über die Geschichte des Hauses. Ich würde etwas über die Aktivitäten wissen wollen, die dort in den dreißiger Jahren stattfanden. Ich würde gern wissen, worin Ihr Bruder verstrickt war, Miss Kirkhope.«
»Und wenn ich Ihnen keine Informationen gebe?«
»Was mich betrifft, wäre der Fall dann erledigt. Ich würde das Haus nicht untersuchen.«
Schweigen senkte sich auf das Zimmer. Bishop und Jessica musterten Miss Kirkhope, die nachdenklich ihren Sherry nippte. Sie starrte lange Zeit zu Boden, und als sie schließlich sprach, lag Traurigkeit in ihrer Stimme: »Beechwood ist viele Jahre lang Teil der Geschichte meiner Familie gewesen. Dominic wurde dort geboren, müssen Sie wissen. War wirklich ein Zufall. Es war für meine Eltern ein Landhaus, zu einer Zeit gebaut, als dort wirklich noch offenes Land war. Mein Vater schickte meine Mutter und mich dort zum Wochenende hin; er wollte, daß sie sich ausruhte. Er war sehr beschäftigt und meine Mutter im siebten Monat schwanger. Er glaubte, die Veränderung wurde ihr gut tun.« Sie lachte bitter. »An diesem Wochenende hatte sie keine Ruhe. Dominic war eine Frühgeburt; es war typisch für ihn, vor seiner Zeit auf die Welt zu kommen.«
Sie schien jetzt abwesend, als ob sie in Gedanken ein Bild vor sich sähe. »Ich war damals erst sieben, und ich entdeckte sie am Fuß der Kellertreppe. Niemand fand je heraus, warum sie dort hinuntergegangen war. Mutter konnte sich nicht daran erinnern - nach den Schmerzen, die sie bei Dominics Geburt erlitt. Mein Gott, wie sie in jener Nacht schrie. Ich weiß noch, wie ich lauschend im Bett lag und zu Gott betete, er möchte das Baby sterben lassen, damit es meiner Mutter nichts mehr täte. Sie wollte nicht woandershin gebracht werden und hätte Dominic dort im Keller zur Welt gebracht, wenn die Diener ihre Bitten nicht ignoriert hätten. Ich kann noch immer ihre Schmerzens-schreie hören, als sie sie die Treppe hochtrugen. Er kam in
Weitere Kostenlose Bücher