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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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daß er recht hatte und schwieg.
    Seine Stimme war sanft, als er weiter sprach. »Entschuldigung, ich wollte Sie nicht wieder anbellen. Ich versuche nur zu verdeutlichen, daß diese Sache von zwei Seiten angegangen wird, und ich bin zufällig in der Minderheit. Wenn es eine Verbindung zwischen dem Haus und den Morden in dieser Straße gibt, dann möchte auch ich herausfinden, worin sie besteht.«
    »Lassen Sie uns zusammenarbeiten, nicht gegeneinander.«
    »Abgemacht.«
    Sie schaute von ihm weg, und er spürte einen Augenblick, daß sie verwirrt war.
    »Okay«, sagte er, »stellen Sie das Thermometer dort auf und lesen Sie das andere ab, bevor Sie ins nächste Zimmer gehen.«
    Sie arbeitete systematisch im Obergeschoß des Hauses, maßen die Temperatur jedes Zimmers, suchten nach Zugluft und Feuchtigkeit, und Bishop machte genaue Zeichnungen. Sie stiegen die Treppe zu den anderen Schlafzimmern hinunter und folgten derselben Routine. Die Räume auf dieser Etage waren größer als die oben, aber die niedrige Temperatur schien konstant zu sein: fünf Grad Celsius. Die Räume hatten den muffigen Geruch von Leere. Obwohl sie in gutem Zustand waren, spürte man in ihnen den schleichenden Verfall von Wänden, von denen kein Leben widerhallte.
    Jessica stand allein in einem Zimmer, um die genaue Temperatur an dem Thermometer abzulesen, das sie vor wenigen Augenblicken dort aufgestellt hatte. Sie blickte auf das Bett, dessen nacktes Federgestell die Einsamkeit des Raumes betonte, und überlegte, warum die wenigen Möbelstücke nicht fortgeschafft worden waren. Schließlich kam sie zu dem Schluß, daß sie für Miss Kirkhope wahrscheinlich unwichtig gewesen waren. Sie ging zum Fenster und blickte auf die Straße. Eine alte Frau schlurfte vorbei, ohne auch nur einen Blick auf Beechwood zu werfen. Ein Fahrradfahrer mit gesenktem Kopf kam ins Blickfeld, einen Schal um den Hals, und seine Atemschwaden lösten sich rasch in der kalten Luft auf. Eine ganz gewöhnliche Vorstadtstraße. Wie Millionen anderer. Aber in gewisser Weise eben doch ganz anders.
    Jessica wandte sich vom Fenster ab und durchschritt den Raum. Sie blieb vor dem Thermometer stehen, und ihr Gesichtsausdruck wurde bestürzt. Die Temperatur war von fünf Grad auf unter Null gesunken. Sogar während sie zuschaute, zog sich das rote Quecksilber in langsamer, aber sichtbarer Bewegung nach unten. Als es zehn Grad unter Null erreicht hatte und noch immer sank, eilte sie zur Tür.
    »Chris!« rief sie.
    »Ich bin hier.«
    Jessica rannte ins Nebenzimmer. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und machte Notizen auf seiner Skizze.
    »Chris, die Temperatur nebenan fällt rapide. Es ist unglaublich. Ich kann sehen, wie sie fällt.« Plötzlich wurde ihr bewußt, wie kalt ihr war.
    Er dreht sich überrascht um und ging dann zu dem Thermometer des Raumes. »Gott, Sie haben recht«, hörte sie ihn sagen.
    »Hier drin ist es zwölf Grad minus.«
    Der Schrei ließ sie beide zusammenzucken. Er kam aus den Räumen unten, schrillte die Treppe hoch und hallte am Treppenabsatz.
    Jessica und Bishop starrten einander kurz an und eilten dann gleichzeitig zur Treppe. Bishop erreichte sie zuerst, und als er hinabging, spürte er Verschwommenheit vor seinen Augen, Schatten, die wie Spinnweben vor ihm hingen. Jessica sah, daß er mit einer Hand vor seinem Gesicht wischte, als streife er unsichtbare Vorhänge beiseite. Sie folgte dicht hinter ihm, konnte aber kein Hindernis erkennen.
    Bishop taumelte halb hinunter und überging eine Stufe, als wiche er etwas aus, was dort lag. Jessica konnte nichts sehen.
    Er schwang um das Geländer am Treppenfuß und taumelte dann an die gegenüberliegende Wand, einen Ausdruck des Entsetzens auf seinem Gesicht. Jessica erreichte ihn und stützte ihn. Sie rannten weiter, als ein weiterer Schrei die plötzlich widerlich riechende Luft durchschnitt und erreichten den Raum, in dem sie Jacob und die Frau zurückgelassen hatten. Bishop blieb am Türeingang stehen und fiel auf die Knie. Alles Blut wich aus seinem Gesicht.
    Der Raum war voller Menschen. Ihre Körper, viele davon nackt, waren vor Schmerz gekrümmt und verdreht, die Gesichtszüge verzerrt, als ob sie ihre Qual hinausbrüllten, aber keine Geräusche kamen über ihre Lippen. Eine Frau, die so nahe bei Bishop stand, daß er sie berühren konnte, schwankte unsicher, den Kopf nach hinten gerissen, und starrte an die Decke. Ihre Bluse war geöffnet, die Knöpfe abgerissen, und schwere Brüste drängten sich

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