Dunkel
Körper grau im düsteren Licht. Er zog sich hoch und schrie »Nein!«, als er die Beine über der Treppe hängen sah. Sie traten wild, schrammten die Wand, ein Schuh fiel herunter und rollte mehrere Stufen tiefer. Zerstückelte Hände schlössen sich um die schwindenden Beine, zerrten daran, zogen sie so lange nach unten, bis sie nicht mehr strampelten. Die Hände verschwanden, und es blieb nur eine schwach zuckende Kontur der Gliedmaßen zurück.
Bishop mußte aus diesem Haus hinaus. Er wußte, daß das Gemetzel überall stattfand - oben in den Schlafzimmern, in den Räumen im Obergeschoß. Er mußte hier raus, und begann, auf die Eingangstür zuzulaufen. Seine Beine waren bleischwer, sein Atem kam in kurzen, scharfen Zügen. Die Tür unter der Treppe war geöffnet, ein langer, schmaler Spalt winkte ihm zu.
Er blieb stehen und preßte seinen Rücken gegen die andere Wand, wie er es Wochen zuvor getan hatte. Und wie damals schien die Tür ihm gegenüber sich zu öffnen, als ob jemand von innen dagegen drückte. Er merkte, daß er immer wieder die Hand ausstreckte, daß seine Finger den Rand der Tür umklammerten. Er fürchtete sich, hineinzuschauen, stand aber unter dem Zwang, das zu tun, weil etwas im Keller drunten ihm das befahl. Er zog die kleine Tür auf und sie öffnete sich. Durch die Schwärze, die dahinter lauerte, hörte er eine Bewegung. Ein schlurfendes Geräusch. Etwas auf der Treppe da unten. Er mußte es sehen. Er mußte.
Er näherte sich dem offenen Türeingang und blickte in die tiefsten Eingeweide des Hauses. Die Dunkelheit am Ende der Treppe schien dicht, eine dräuende Nacht, die ihn nach unten einlud, eine lebende Schwärze, die darauf wartete, zu verschlingen. Und aus der Schwärze begann eine Gestalt herauszutreten.
Bishop konnte sich nicht bewegen. Selbst als die Gestalt größer wurde, als sie die Stufen hochstieg und das seltsame Gemurmel an seine Ohren drang, war er wie gelähmt. Selbst als er die wildstarrenden Augen sehen konnte, das lange, dunkle Haar, das ihr fast bis zur Hüfte hinabhing, der Fluß des Haares von den riesigen nackten Brüsten durchbrochen, wie von Felsen in einem schnellfließenden Strom. Selbst als sie die oberste Stufe erreicht hatte und ihr Haar in den großen Händen drehte, es wie ein dickes Seil über ihrer Brust spannte und die Worte klar wurden, die sie ständig wiederholte: »All diese Jahre ... all diese Jahre ...«, konnte er sich nicht bewegen.
Die Frau war wirklich, ein Spektralleib wie die anderen. Als sie aus den Schatten heraustrat, sah er, daß ihr Körper Substanz hatte und in seiner Festigkeit eher zuzunehmen, als zu schwinden schien. Und ihr Gemurmel, fast eine Beschwörung, verriet ihm, daß sie keine der Toten war. Er wich zurück, denn ihr irrer Gesichtsausdruck war ebenso erschreckend wie die Visionen, deren Zeuge er geworden war. Sie blieb vor ihm stehen und ihre Hände drehten und zerrten ständig das dicke Seil aus Haar. Ihr großer Körper zitterte und ihre Fülle bot keinen Schutz gegen die durchdringende Kälte des Hauses. Ihre Augen wandten sich von ihm ab, suchten nach etwas, und plötzlich machte sie kehrt und schlurfte über den Korridor zu dem Zimmer, das er gerade verlassen hatte. Bishop sackte gegen die Wand, seine Stirn von Schweiß bedeckt, der sich in Eis verwandelte, sobald er aus den Poren drang.
Jessica stand am Eingang des Zimmers und hielt ihre Hände hoch, um die herantrottende Frau abzuwehren, aber sie wurde roh gepackt und beiseite gestoßen. Die Frau schrie voller Wut über das kraftlose Hindernis auf. Jessica stürzte schwer und schien einen Augenblick benommen. Bishop konnte nur hilflos zusehen, als die große Frau in dem Raum verschwand, und er spürte neue Furcht, als Jessica einen Angstschrei ausstieß. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, bettelte mit den Augen.
»Helfen Sie ihm, bitte, helfen Sie ihm!«
Er wollte in die andere Richtung laufen, wollte aus diesem schrecklichen Haus hinaus, weg von dem Grauen, das es barg aber ihr Flehen hielt ihn fest und wollte ihn nicht aus diesem Wahnsinn entlassen. Er wankte auf sie zu.
Bishop versuchte, das Mädchen auf die Beine zu ziehen, aber sie stieß seine Hände fort und deutete in den Raum. »Halten Sie sie auf! Helfen Sie ihm, Chris!«
Die Frau stand hinter Jessicas Vater, beugte sich über ihn und hatte ihr langes, dunkles Haar um seinen Hals geschlungen. Ihre Knöchel waren weiß, als sie daran zog.
Kuleks Gesicht war hochrot, seine blicklosen Augen quollen aus
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