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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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er ihr abnahm.« Bishop lächelte zynisch. »Aber so arbeiten sie doch alle, oder? Schaffen sich einen großen Kundenkreis, nehmen kleine, persönliche >Geschenke< an! Das addiert sich.«
    »Sie sind nicht alle so, Chris. Es gibt nur wenige, die Spiritismus nur des Geldes wegen praktizieren.« Jessica unterdrückte ihre Verärgerung, da sie nicht wieder eine Auseinandersetzung mit ihm wollte.
    »Ich bin sicher, daß sie viele Gründe haben, Jessica.« Das bedeutete, daß jeder andere Grund ebenso schlecht war, aber sie schluckte den Köder nicht.
    Bishop fuhr fort: »Lynn überredete mich schließlich, zu einer der Sitzungen mitzugehen. Vielleicht wollte auch ich Lucy wiedersehen oder hören ... Ich vermißte sie so sehr, daß ich nach allem griff. Und in den ersten fünf Minuten hätten sie mich fast zum Narren gehalten.«
    »Er war ein Mann mittleren Alters, sprach mit weichem irischem Akzent. Sein ganzes Verhalten war eigentlich weich - weich, aber überzeugend. Er sah wie Edith Metlock, wie jeder andere normale Mensch aus und machte mir gegenüber keine übertriebenen Versprechungen, versuchte nicht einmal, mich von seiner Echtheit zu überzeugen. Es läge allein bei mir, sagte er. Die Wahl, zu glauben oder nicht, läge bei mir. Es war diese Gleichgültigkeit, die mich fast von seiner Lauterkeit überzeugte.
    Die Seance begann nach kurzer Einleitung in einem verdunkelten Raum, mit Händchenhalten um den Tisch — was ich erwartet hatte. Er bat uns, zuvor in ein kurzes Gebet einzufallen, und Lynn tat das überraschenderweise. Da waren noch andere bei der Seance — Lynns Freundin, die sie dem Medium vorgestellt hatte, und nacheinander wurde mit ihren toten Freunden und Verwandten Kontakt aufgenommen. Offen gestanden, ich war ein wenig verängstigt. Die Atmosphäre des Raumes schien — ich weiß nicht — irgendwie schwer, aufgeladen zu sein. Ich mußte mich ständig daran erinnern, daß sie von den Menschen in dem Raum selbst geschaffen wurde.
    Als Lucys Stimme zu mir drang, erstarrte ich. Lynn ergriff fest meine Hand, und ich wußte, daß sie weinte, ohne sie anzusehen. Ich wußte auch, daß die Tränen flössen, weil sie glücklich war. Die Stimme war dünn und fern; sie schien aus der Luft zu kommen. Eine Kinderstimme, aber sie hätte von jedem Kind kommen können. Es waren die Dinge, die sie sagte, die mich glauben machten. Sie sei froh, daß ich endlich gekommen wäre. Sie hätte mich vermißt, sei jetzt aber glücklich. Sie hätte keinen Schmerz gespürt, als sie starb, nur Traurigkeit, dann aber große Freude. Sie hätte viele neue Freunde in der Welt, in der sie jetzt sei, und ihre einzige Sorge wäre, daß wir, ihre Mutter und ihr Vater, unglücklich seien. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen, doch plötzlich schienen die Dinge nicht ganz wahr zu klingen. Lucy war erst fünf gewesen, als sie gestorben war, sprach aber jetzt wie ein viel älteres Mädchen. Wenn man wirklich glauben wollte, konnte man sich einreden, daß die Dinge auf der anderen Seite ebenso seien: Man erlangte eine Weisheit, die größer als das Lebensalter war. Aber ich konnte das noch nicht akzeptieren. Ich war überrascht, als sie von Dingen sprach, von denen nur wir drei, ich, Lucy und ihre Mutter wußten. Dann aber machten sie den ersten Fehler. Die Stimme erinnerte mich daran, daß Lynn einmal zum Einkaufen fortgewesen war. Lucy und ich balgten im Wohnzimmer. Dabei ging ein Lieblingsstück von Lynn zu Bruch. Es war eine Figurine aus dem achtzehnten Jahrhundert, aber nur eine Reproduktion, nicht wertvoll. Lynn liebte sie dennoch. Wir wußten, daß wir in der Klemme steckten. Da nur der Kopf abgebrochen war, verbrachte ich eine halbe Stunde damit, ihn wieder anzukleben. Lynn ließ sich täuschen, bis sie versuchte, die Figur abzustauben. Der Kopf fiel einfach wieder ab. Unglücklicherweise waren Lucy und ich im Zimmer mit dabei, und wir mußten über Lynns Gesichtsausdruck einfach lachen. Jedenfalls bekannte ich mich schuldig, und damit war der Fall erledigt. Bis die kichernde Stimme in dem Raum mich daran erinnerte.
    Gut, Seancen sind voll von diesen trivialen Zwischenfällen, die mit geliebten Verstorbenen zu tun haben. Das macht sie ja so glaubwürdig, nicht wahr? Kleine Augenblicke, von denen sonst niemand wissen kann. Das war schön, nur daß sie es falsch mitbekommen hatten. Lucy hatte die Statuette zerbrochen, nicht ich. Das hätte ich noch akzeptiert, weil Lucy dachte, sie würde Schläge bekommen. Das hätte sie

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