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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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natürlich nicht, weil es ein Mißgeschick war. Aber so sind Kinder eben. Immerhin war ich jetzt noch mißtrauischer — das Medium hatte die Geschichte aus zweiter Hand erfahren. Von wem? Von Lynn? Vielleicht hatte sie die Geschichte bei einem ihrer Besuche erzählt. Oder von ihrer Freundin, der Frau, die sie dorthin gebracht hatte? Falls sie es gewesen war, war es sicher nicht in böser Absicht geschehen. Wie gesagt, der Ire war ein weicher, überzeugender Typ. Er konnte viele Dinge über uns erfahren haben.
    Ich spielte eine Weile mit, gab vor, überzeugt zu sein, wartete aber auf den nächsten Fehler. Und sie machten ihn. Ein dummer, fast absurder Fehler. Ich vermute, sie glaubten in mir eine weitere Gans zum Rupfen gefunden zu haben. Eine rauchige Substanz tauchte von irgendwo hinter dem Medium auf. Fast an der Rückseite des Raumes, über seiner linken Schulter, wo Lynn und ich es deutlich sehen konnten. Ein Bild begann im Rauch aufzutauchen, verschwommen, unklar. Es war ein Gesicht, daß zwischen Schärfe und Verschwommenheit schwankte. Nach ein paar Sekunden erkannten wir Lucy. Es waren ihre Gesichtszüge, ihr Ausdruck — aber etwas stimmte nicht ganz. Ich merkte, was es war und es war so dumm, daß ich laut aufgelacht hätte, wenn ich nicht so ärgerlich gewesen wäre. Ihr Haar war auf der falschen Seite gescheitelt, wissen Sie. Sie hatten ein Foto von Lucy von hinten auf eine kleine Leinwand projiziert. Die Ränder waren gut abgeschirmt, und der Rauch half, sie noch besser zu verbergen.
    Nun, ich verlor die Beherrschung als ich merkte, wie ich betrogen worden war und stürmte auf den Rauch zu, der aus einem kleinen Rohr in der Wand kam. Ich schlug meine Faust in die Leinwand. Sie befand sich in einem kleinen Alkoven, der durch ein Paneel verdeckt wurde, wenn die Lampen brannten, und bildete eine Art schwarzer Hintergrund.«
    Bishop beugte sie vor, stützte seine Ellenbogen auf die Knie und starrte auf den Kiesweg. »Ich frage mich manchmal, was geschehen wäre, wenn ich es einfach hätte durchgehen lassen. Vielleicht hätte Lynn ihren Zusammenbruch nicht bekommen.« Sein bitteres Lächeln kehrte wieder, als er sich an die Konsequenz seiner Handlungsweise erinnerte. »Wie Sie sich vorstellen können, endete die Seance in einem Tumult. Das Medium schrie mich an. Seine Stimme war inzwischen scharf geworden. Lynns Freundin reagierte hysterisch, wogegen Lynn selbst kalkweiß wurde, aber ruhig blieb. Die anderen befanden sich in verschiedenen Stadien von Schock und Ärger. Ich bin mir noch immer nicht sicher, gegen wen sich der Ärger richtete - gegen mich oder den Iren.
    Ich hielt mich nicht einmal damit auf, nach den verborgenen Lautsprechern zu suchen, aus dem die Kinderstimme gekommen war; ich hatte genug gesehen. Das Medium kam mit hochrotem Kopf auf mich zu, als wollte er platzen. Ein kräftiger Schlag erledigte das, dann nahm ich Lynn und ging fort. Anschließend sprach sie drei Tage lang kein Wort. Dann brach sie zusammen ... Wissen Sie, ihre letzte Hoffnung war zerbrochen. Es war, als ob Lucy zweimal gestorben wäre.«
    »O Gott, es muß schrecklich für sie gewesen sein, Chris. Für Sie beide.« Jessica beugte sich vor.
    »In den nächsten Monaten schien Lynn immer tiefer in sich selbst zu versinken. Ich konnte einfach nicht an sie heran. Sie schien mir die Schuld zu geben. Schließlich brachte ich sie zu einem Psychiater und der erklärte, daß ich für Lynn fast zum Mörder Lucys geworden sei. In ihrem wirren Geist hatte ich ihr Lucy wieder weggenommen. Ich glaube ihm nicht. Das konnte ich nicht, denn Lynn und ich hatten uns immer sehr nah gestanden. Wenn sie litt, litt ich auch; wenn ich glücklich war, war sie glücklich. Für uns hatte Lucy diese Nähe irgendwie symbolisiert, war ihr Ergebnis gewesen. Es war, als sei mit ihrem Weggang dieses Band zerrissen. Lynn versuchte zweimal, sich umzubringen, bevor ich gezwungen war, sie einzuliefern. Einmal versuchte sie, mich zu töten.«
    Jessica erschauerte, nicht vor Kälte, und legte impulsiv eine Hand auf seinen Arm. Er lehnte sich wieder an die Bank, als ob er ihre Hand abstreifen wollte, und sie zog sie weg.
    »Beim ersten Mal nahm sie Schlaftabletten, beim zweiten Mal versuchte sie, sich die Pulsadern aufzuschneiden. In beiden Fällen konnte ich sie noch rechtzeitig ins Krankenhaus bringen. Aber ich wußte, daß ich es irgendwann einmal nicht mehr schaffen würde. Nach dem zweiten Versuch haßte sie mich wirklich. Sie wollte bei Lucy sein, und ich

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