Dunkel
»Schön, daß Sie an Geister glauben.«
»Wie würden Sie sie nennen?«
»Vibrationen. Elektromagnetische Bilder. Jacob kennt meine Theorie über solche Phänomene. Ein Elektrokardiogramm beweist, daß das Herz elektrische Impulse abgibt; ich glaube, daß jemand unter Streß das auch tut. Und diese Impulse werden später von jemandem wie Ihnen wahrgenommen, von jemandem, der für solche Impulse sensitiv ist.«
»Aber Sie haben sie gesehen, nicht ich.«
»Telepathie. Sie waren der Empfänger, Sie haben die Visionen zu mir übertragen.«
Jessica fiel ein: »Warum wurden dann Ediths Gedanken nicht zu mir übertragen? Warum habe ich sie nicht gesehen?«
»Und warum ich nicht?« sagte Kulek. »Wenn es nur telepathische Gedanken von Edith waren, warum habe ich sie mit meinem geistigen Auge nicht gesehen?«
»Und warum hatten Sie solche Angst?« fügte Jessica hinzu.
»Vielleicht habe ich in Wirklichkeit überhaupt nichts gesehen.« Alle blickten Bishop fragend an. »Es könnte sein, daß ich mich nur an das erinnert habe, was ich vorher in dem Haus entdeckt hatte. Mrs. Metlock könnte etwas in meinem Unterbewußtsein ausgelöst haben, etwas so Schreckliches, daß ich versuchte, es von mir fernzuhalten. Und wenn jemand von Ihnen das erlebt hätte, hätten Sie auch Angst gehabt.«
»Und die Frau?« fragte Jessica. »Warum war sie im Haus?«
»Sie versteckte sich, Himmel noch mal! Sie tötete den alten Mann. Sie wußte, daß Beechwood leer stand. Darum.«
»Aber warum versuchte sie, meinen Vater zu töten? Warum nicht Sie? Mich?«
»Vielleicht haßt sie Männer im Alter Ihres Vaters«, sagte Bishop verärgert. »Männer wie ihren Arbeitgeber.«
»Sie ging direkt auf ihn zu. Sie hatte Jacob nie gesehen, ging aber direkt zu ihm hin.«
»Sie könnte seine Stimme aus dem Keller gehört haben.«
»Ja, der Keller, Chris. Sie spürten es doch auch, oder?«
»Was sollte ich gespürt haben?«
»Daß etwas Böses im Keller war.«
Bishop fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich weiß es einfach nicht. Jetzt erscheint mir das alles wahnsinnig.«
»Chris, Sie haben uns noch immer nicht gesagt, was Sie sahen — oder, wie Sie meinen, woran Sie sich erinnerten«, sagte Kulek ruhig.
Obwohl Jessica ärgerlich über die Weigerung des Forschers war, die Wirklichkeit dessen zu akzeptieren, was in Beechwood geschehen war, wollte sie ihn fast trösten, als er jetzt erbleichte.
Es dauerte Sekunden, bis er sprach, und die Worte kamen stockend und gleichmütig heraus, als versuche er verzweifelt, seine Emotionen zu beherrschen, aus Angst, die Kontrolle darüber zu verlieren. Er beschrieb die Szene in Beechwood, die wahnsinnigen, perversen Selbstmorde, das grausame Gemetzel. Jessica spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Jacob Kuleks blicklose Augen waren geschlossen, Edith Metlock konnte den Blick nicht von Bishop abwenden. Schließlich öffnete der blinde Mann die Augen und sagte: »Sie versuchten also, auf die unzüchtigste Weise zu sterben. Das mußten sie wohl.«
Bishop runzelte die Stirn. »Sie glauben, hinter all dem steckte ein Motiv?«
Kulek nickte. »Für Selbstmord und Mord gibt es immer ein Motiv. Selbst Wahnsinnige haben ihre Gründe.«
»Selbstmörder wollen sich gewöhnlich von den Problemen des Lebens befreien.«
»Oder von den Einschränkungen.«
Bishop war über Kuleks Bemerkung verwirrt - Jessica hatte vor einiger Zeit ebenfalls vom Tod als Befreiung gesprochen —, aber er fühlte sich zu erschöpft, um das zu verfolgen. »Was immer die Motive waren, nach dem morgigen Tag ist das egal. Das Haus wird dann nicht mehr da sein.«
Sie waren verwirrt. »Was heißt das?« fragte Kulek besorgt.
»Ich habe Miss Kirkhope angerufen, bevor ich herkam«, erwiderte Bishop. »Ich erzählte ihr, daß außer einer merkwürdigen Kälte nichts in dem Haus festzustellen sei und empfahl ihr, den Abbruch schnellstens durchführen zu lassen. Sie sagte, in dem Fall würde es morgen abgerissen werden.«
»Wie konnten Sie ...?« fragte Jessica wütend.
»Chris, Sie wissen nicht, was Sie getan haben!« Kulek war aufgestanden.
»Vielleicht hat er recht.« Jessica und ihr Vater wandten sich überrascht zu Edith Metlock. »Vielleicht wird der Abbruch von Beechwood ihre armen Seelen befreien. Ich glaube, das Haus und alles, was darin geschehen ist, hält sie in dieser Welt. Jetzt können sie vielleicht gehen und frei sein.«
Jacob Kulek sank in seinen Sessel zurück und schüttelte langsam den Kopf. »Wenn es nur so
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