Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
sicher ein guter Chef«, sagte Vanessa, als sie an einem etwas abseits stehenden Tisch in dem Restaurant Platz genommen hatten.
»Wie kommen Sie darauf?« Er zog eine Augenbraue hoch.
»Sie müssen Ihre Leute gut im Griff haben, sonst könnten Sie sich nicht so viel Zeit für die Haussuche und fürs Mittagessen nehmen.« Sie faltete die rote Serviette auseinander und legte sie sich auf den Schoß.
»Ich bin ein hervorragender Boss – clever genug, um fähige Leute einzustellen, denen ich vertrauen kann. Später fahre ich noch mal auf die Baustelle und sehe nach dem Rechten.«
Sie unterbrachen ihr Gespräch, als die Kellnerin an den Tisch kam und die Bestellung aufnahm.
Im Verlauf des Vormittags hatte Vanessa Christian zusehends fasziniert. Er hatte ihr eine Frage nach der anderen gestellt, um einen Grund für einen Rückzug zu finden, aber da war nichts. Im Gegenteil, jede noch so kleine Information verstärkte sein Interesse an ihr, ein Interesse, das über rein körperliches Verlangen hinausging.
Er wartete, bis die Kellnerin frisch gebackenes und aufgeschnittenes Brot gebracht hatte und für jeden ein Schälchen mit Gewürzen versetztes Olivenöl. Dann fragte er Vanessa, wie sie ihren Mann kennengelernt hatte.
»Wir haben uns uns auf dem College kennengelernt. Ich war im zweiten und er im letzten Studienjahr.« Sie nahm eine Scheibe Brot, brach ein Stück ab und tunkte es in das Kräuteröl.
»War es Liebe auf den ersten Blick?«
Sie lachte. »Ich weiß nicht, ob ich an Liebe auf den ersten Blick glaube, aber die Anziehung war groß. Eines Abends lud Jim mich zu einem Drink ein, was damit endete, dass wir eine ganze Flasche Wein tranken und bis in die frühen Morgenstunden redeten.«
Sie aß einen Bissen von ihrem Brot und fuhr dann fort: »Nach diesem ersten Abend entwickelten sich die Dinge zwischen uns sehr schnell. Ein halbes Jahr später hatte ich mein Studium abgebrochen, und wir waren verheiratet.«
»War die Ehe glücklich?«
Vanessa wandte den Blick ab und schaute über Christians Schulter auf irgendeinen Punkt in der Ferne. »Es war eine ganz normale Ehe mit Höhen und Tiefen«, sagte sie nach einer langen Pause.
Die Antwort gefiel ihm. Er war schon einmal mit einer verwitweten Frau ausgegangen, und es war eine frustrierende Erfahrung gewesen. Der Tod hatte den Ehemann in einen Heiligen verwandelt. Christian hatte drei Monate gebraucht, um zu realisieren, dass kein Sterblicher es mit ihrem in der Erinnerung verklärten Mann aufnehmen konnte.
»Sie sagten kürzlich, Sie seien bei Ihrem Großvater aufgewachsen. Erzählen Sie mir von ihm.«
Vanessas Augen leuchteten, und ein Lächeln spielte um ihren Mund, ein Lächeln, erfüllt von glücklichen Erinnerungen und Liebe, ein Lächeln, von dem er sich wünschte, dass er es ausgelöst hätte.
»Grandpa John. Er war ein wunderbarer Mann. Wir wohnten in einem kleinen Cottage, und der größte Teil des Grundstücks war eine Kombination aus Blumen- und Gemüsegarten. Grandpa hatte das, was man einen grünen Daumen nennt, er backte gern und spielte Klavier nach Gehör. Das Wundervollste aber war, dass er mich vorbehaltlos liebte und mir beibrachte, was im Leben wirklich wichtig ist.«
»Sie hatten großes Glück, so jemanden zu haben.«
»Sie denn nicht?«
Christians Kindheit war alles andere als idyllisch gewesen, doch das war kein Thema, über das er jetzt sprechen wollte. »Nicht unbedingt«, antwortete er leichthin. »Aber das ist eine andere Geschichte, für eine andere Gelegenheit.«
In dem Moment tauchte die Kellnerin mit den Bestellungen auf und ersparte Christian jede weitere Erklärung. Während des Essens plauderten sie über dies und das. Vanessa erzählte von ihrem Sohn, der offenbar der Star in ihrem Leben war, sie diskutierten über Politik, ohne sich zu streiten, und mieden das Thema Religion.
Viel zu schnell verging die Zeit, und als Vanessa auf die Uhr schaute, wusste Christian, dass sie in die Firma zurückmusste.
»Darf ich Sie zum Abendessen ausführen, Vanessa?«, fragte er, als sie das Café Italia verließen und zu ihrem Auto gingen. »Sie dürfen sich aussuchen, wann. Ich lade Sie in ein schönes Restaurant ein.«
»Und nachher vielleicht noch zum Tanzen?« Sie lächelte, und in ihrem Blick lag ein Hauch von Wehmut. »Früher habe ich sehr gern getanzt, aber das ist Jahre her.«
»Dann gehen wir auf jeden Fall auch tanzen. Also, was sagen Sie?«
»Einverstanden. Vielleicht am Freitag? Ich kümmere mich darum, dass
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