Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
ausübte, hatte sie etwas an sich, was sein Mitgefühl weckte – und das Bedürfnis, sie zum Lächeln zu bringen.
Sie war eine Frau, die es verdiente, glücklich zu sein und geliebt zu werden. Ob er der richtige Mann für sie war, stand allerdings in den Sternen.
Als er sich seiner Baustelle näherte, schob er die Gedanken an Vanessa beiseite und konzentrierte sich auf die Arbeit. Die Strip-Mall musste in zwei Wochen fertig sein. In all den Jahren hatte Christian noch nie ein Projekt zu spät fertiggestellt oder auch nur das Budget überschritten.
Ein anderer Komplex befand sich in der Planungsphase, und er hatte Verträge für zwei weitere Ladenzeilen, mit deren Bau im Frühjahr begonnen werden sollte. Dummerweise war er immer vom Wetter abhängig, aber die Meteorologen hatten einen milden Winter vorhergesagt, so dass Christian nicht mit größeren Verzögerungen rechnete.
In den letzten drei Monaten hatte er sich nach Bauland für sein Lieblingsprojekt umgesehen, eine Zeile nobler kleiner Geschäfte, die er als Besitzer selbst betreiben wollte. Bisher gab es nur ein paar Entwürfe und einen Traum, aber mittlerweile befand Christian sich in einer Position, die es ihm erlaubte, sich Träume zu verwirklichen.
Er fuhr auf die Baustelle, wo fast nur noch Innenarbeiten ausgeführt wurden, und sah seinen Vorarbeiter Jason Weir mit einer Zigarette draußen stehen.
»Mist«, murmelte er, denn Jason rauchte nur, wenn es Probleme gab.
Christian stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz vor der Ladenzeile ab, stieg aus und ging auf den großen, stämmigen Mann zu, dem er vertraute wie einem Bruder.
Jason zog die graumelierten Augenbrauen zusammen, so dass sie sich über seiner zu groß geratenen Nase trafen.
»Ich hasse es, wenn du so guckst«, sagte Christian.
Jason zog an seiner Zigarette und schnippte die Kippe dann weg. »Kevin ist heute Morgen nicht zur Arbeit erschienen, und Ted musste ich nach der Mittagspause nach Hause schicken.«
»Hat er wieder getrunken?«, fragte Christian.
»Kann sein, aber wahrscheinlich nicht nur. Ich glaube, er nimmt Drogen.« Jason seufzte. »Er glänzt häufiger durch Abwesenheit als durch Anwesenheit, und selbst wenn er mal auftaucht, tut er kaum was.«
Christian runzelte die Stirn. »Ich dachte, er ändert sich noch, aber anscheinend habe ich mich getäuscht. Falls er morgen früh erscheint, kannst du ihm sagen, er soll sich seine Papiere abholen.«
Gemeinsam gingen die beiden Männer zu dem kleinen Bauwagen, um zu besprechen, was an dem Tag noch anstand.
Er fuhr ganz langsam am Bauzaun vorbei und beobachtete, wie der hochgewachsene Blonde mit dem stämmigen Grauhaarigen in einem kleinen Bauwagen verschwand. Ein paar Straßen weiter blieb er am Bordstein stehen und schaltete den Motor aus. Er musste versuchen, die Wut in den Griff zu bekommen, die ihn zu zerreißen drohte, diese Wut, die sich mit jedem Tag steigerte.
Er hatte sie gesehen. Vanessa und den hochgewachsenen, blonden Mann. Er hatte gesehen, wie sie sich auf dem Parkplatz vor Wallace Realty geküsst hatten. Wie zwei liebestolle Teenager, die nicht warten können, bis es dunkel wird. Wie brünstige Tiere, die nur darauf aus sind, sich zu paaren, ganz gleich, wer zuschaut.
Er würde alles in Erfahrung bringen, was es über diesen Scheißkerl in Erfahrung zu bringen gab. Vanessa glaubte wohl, sie könnte die Scherben ihres bisherigen Lebens zusammenkehren und einfach weitermachen. Sie glaubte wohl, sie könnte die Vergangenheit hinter sich lassen und ihr Glück finden. So als hätte es ihn nie gegeben. So als hätte er nie eine Rolle gespielt.
Er kaute an seinem Daumennagel, bis er Blut schmeckte. Der Schmerz tat gut. Er half ihm, sich zu konzentrieren. Ein paarmal atmete er tief ein und aus, dann ließ er den Motor an und fuhr weiter. Seine Gedanken überschlugen sich.
Vielleicht würde er sich für eine Weile still verhalten. Vielleicht würde er im Dunkeln bleiben und beobachten, was zwischen Vanessa und dem neuen Mann geschah. Er würde warten, bis sich etwas Bedeutsames entwickelt hatte, und wenn dieses Miststück glaubte, das Glück wäre ganz nah, dann würde er es ihr aus der Hand schlagen. Er würde sie büßen lassen. So wie er alle büßen lassen würde.
8
Die Blumen wurden am Mittwochabend geliefert. Vanessa und Scott saßen am Küchentisch, tranken Kaffee und füllten die Formulare für den Kunstwettbewerb aus, von dem Johnnys Onkel Brian an Thanksgiving gesprochen hatte.
Es klingelte an der Tür,
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