Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
Liebe zur Malerei hatte sie zusammengeführt, und gegenseitiger Respekt hatte ihre Freundschaft erhalten.
Scott hatte auch seinen Lebensgefährten Eric im Studium kennengelernt – heute ein Strafverteidiger. Die beiden waren all die Jahre über häufig zu Gast bei Jim und Vanessa gewesen und seit Jims Tod eine tatkräftige Hilfe für die junge Witwe.
Scott arbeitete als Kunstlehrer an einer der örtlichen Highschools, und wann immer Vanessa Überstunden machen musste, sprang er als Babysitter und Mentor für Johnny ein. Vanessa wusste nicht, wie sie ohne Scott hätte klarkommen sollen.
Als sie die Hähnchenbrust in die Mikrowelle schob, kam Johnny in die Küche und setzte sich an den Tisch.
»Wie war’s in der Schule?«, fragte sie ihn.
»Gut, außer dass wir für Mr. Abery ein Referat machen müssen, das noch vor Thanksgiving fertig sein soll.«
»Was denn für ein Referat?« Vanessa stellte die aufgewärmte Hähnchenbrust auf den Tisch und setzte sich zu ihrem Sohn.
»Über unser Lieblingstier. Er hat gesagt, wenn wir zusätzlich ein Plakat machen, kriegen wir eine bessere Note.« Er begann, sich den Teller mit Fleisch und Salat zu füllen.
»Und für welches Tier hast du dich entschieden?«
Johnny runzelte nachdenklich die Stirn, wobei er wie eine Miniaturausgabe seines Vaters aussah. »Ich dachte, ich nehme vielleicht einen Vogel, den Kardinal. Ich könnte ihn malen und seinen Gesang aus dem Internet runterladen.«
»Das hört sich prima an. Meinst du, du schaffst das noch in dieser Woche – vor Thanksgiving?«
»Klar. Scott hat gesagt, mit dem Bild fangen wir morgen nach der Schule an.«
Während des Rests der kurzen Mahlzeit plauderten Mutter und Sohn über dies und das, dann standen sie vom Tisch auf und gingen nach oben, um sich umzuziehen.
Vanessa holte das schwarze Kleid aus ihrem Wandschrank, das sie für diesen Abend ausgewählt hatte. Bevor sie die Tür schloss, fiel ihr Blick auf das scharlachrote Dior-Kleid auf der Stange. Sie hatte überlegt, ob sie es anziehen sollte. Es war Jims Lieblingskleid gewesen.
Vor sechs Jahren hatte er es für sie gekauft, zu einem schockierenden Preis, wie Vanessa fand. Jim hatte darauf bestanden, dass sie es jedes Jahr an ihrem Hochzeitstag trug, aber auch zu diversen anderen Gelegenheiten.
Sie hatte es seit Jims Tod nicht mehr angezogen, und sie glaubte auch nicht, dass sie es jemals wieder tun würde. Sie legte das schwarze Kleid aufs Bett und ging ins Bad, um zu duschen.
Als sie den warmen Wasserstrahl auf ihrer Haut spürte, fühlte sie sich auf einmal schrecklich einsam. Sie war dreiunddreißig Jahre alt, und nie hätte sie erwartet, in diesem Alter allein zu leben. Als sie das College abbrach, um Jim zu heiraten, ging sie davon aus, mit ihm alt zu werden.
Natürlich, ihr zehnjähriger Sohn war ihr Ein und Alles, dennoch gab es Zeiten, da vermisste sie die Gegenwart eines Mannes. Ihr fehlte der Gedankenaustausch unter Erwachsenen, aber nicht nur das, auch die gemeinsamen Träume und Geheimnisse, die Intimität, die mit gutem Sex einherging.
Sie wusch sich das Duschgel vom Körper, drehte das Wasser ab und griff nach einem Handtuch, in Gedanken bei der bevorstehenden Veranstaltung.
Andre hatte alles getan, um den Abend zu einem Erfolg zu machen. Er hatte nicht nur sämtliche Kunstkritiker, Sammler und Sponsoren eingeladen, sondern jeden, der in Kansas City Rang und Namen hatte. Jims ganze Familie würde ebenfalls anwesend sein.
Vanessa schlüpfte in das figurbetonte schwarze Kleid, das ihr so gut stand, und steckte ihr schulterlanges dunkles Haar zu einem modischen Nackenknoten auf. Nachdem sie sich geschminkt hatte, setzte sie sich auf die Bettkante, um Schmuck anzulegen.
Dabei fiel ihr Blick auf Jims Foto auf ihrem Nachttisch, das sie nur noch so selten betrachtete. Sie hatte schon des Öfteren überlegt, es wegzupacken, und glaubte nicht, dass es Johnny viel ausmachen würde, wenn das Foto seines Vaters nicht mehr dort stand.
Tatsächlich hatte ihr Sohn sie in letzter Zeit mehrfach mit der Aussage überrascht, er hätte nichts dagegen, wenn sie mal wieder mit jemandem ausgehen würde. Manchmal dachte Vanessa, ihm fehlte ein Mann im Haus genauso wie ihr.
Sie legte goldene Ohrringe und ihr Lieblingsarmband an und ging dann Johnny suchen.
Er stand in seinem Bad vor dem Spiegel und kämpfte mit dem Schlips.
»Komm, lass mich das machen«, sagte sie und griff nach den Enden der schwarz-grauen Krawatte.
»Du siehst toll aus, Mom«, sagte
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