Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
übertragen haben.
Zu Hause, als Johnny die Treppe zu seinem Zimmer hochrannte, schob sie die düsteren Gedanken beiseite. Er ist nicht wie Jim, sagte sie sich. Er würde nie wie Jim werden. Dafür würde sie Sorge tragen.
Obwohl sie zu Annette gesagt hatte, sie habe viel zu tun, erstreckte sich der Tag auf einmal endlos und leer vor ihr. Im Grunde gab es nur ein bisschen Hausarbeit zu erledigen, und es konnte nicht schaden, wenn sie im Computer nach neuen Häuser-Angeboten schaute, aber darüber hinaus hatte sie keine Pläne.
Als sie gerade das Putzzeug hervorgeholt hatte, kam Johnny zu ihr in die Küche. »Hier ist das Bild, das Onkel Brian mir geschenkt hat. Dad hat es gemalt, als er in der dritten Klasse war.« Er streckte es ihr entgegen. Es war eine Landschaft mit einem Bach im Vorder- und einer alten Scheune im Hintergrund. Linien und Blickwinkel waren absolut richtig, für einen Achtjährigen erstaunlich, und in der rechten unteren Ecke stand ABBOTT, wie auf Jims späteren Werken.
»Wir werden einen Rahmen besorgen, dann kannst du es in deinem Zimmer aufhängen«, sagte Vanessa und gab ihm das Bild zurück.
»Das wäre cool.« Johnny sah sich neugierig in der Küche um. »Hey, wo sind denn deine Blumen?«
»Ich musste sie wegtun, sie wurden schon ganz welk und braun.« Diese verdammten Rosen. Wer hatte sie ihr nur geschickt? Es machte sie verrückt, dass sie das nicht wusste.
»Schade, sie waren so schön. Darf ich ein Glas Milch mit raufnehmen?«
»Natürlich«, sagte sie. »Aber bring das Glas bitte nachher wieder mit runter.«
Er goss sich Milch ein und verschwand. Vanessa runzelte die Stirn. Hätte Johnny sie doch nur nicht an die Rosen erinnert. Letzte Nacht hatte sie bis zum Einschlafen gegrübelt, von wem sie wohl stammten.
Sie hatte überlegt, ob ihr Kollege Buzz in Frage kam. War es möglich, dass er ihr Blumen schickte? Immerhin hatte er ihr mehr als einmal zu verstehen gegeben, dass er gern mit ihr ausgehen würde, sobald sie sich dazu in der Lage fühlte.
Aber Buzz war in der Firma als Geizhals verschrien. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er so viel Geld ausgeben würde, um einer Frau, mit der er nur zusammenarbeitete, mitten im Winter Rosen zu schicken.
Ihre anderen männlichen Kollegen waren allesamt glücklich verheiratet, und sie hatte nicht den geringsten Anlass anzunehmen, dass einer von ihnen Interesse an einer Affäre mit ihr hatte.
In Gedanken ging Vanessa ihre derzeitigen Kunden durch. Vielleicht hatte Robert Worth sich ja in sie verliebt, während seine Frau ihn von Hausbesichtigung zu Hausbesichtigung zerrte? Bei ihrem letzten gemeinsamen Termin war er mit Vanessa im Wohnzimmer zurückgeblieben, während seine Frau Kate sich die anderen Räume ansah.
»Jetzt reicht’s aber«, murmelte sie vor sich hin und griff nach einem Staubtuch und der Möbelpolitur. Keine Sekunde länger wollte sie über den Absender der Rosen rätseln. Wenn sie einen heimlichen Verehrer hatte, würde er sich schon irgendwann zu erkennen geben; und wenn nicht, auch egal. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, dachte sie.
Den Rest des Vormittags verbrachte Vanessa mit Staubwischen und Staubsaugen, und danach ging sie in die Küche, um das Mittagessen für sich und Johnny zuzubereiten. Sie erinnerte sich an ihren Vorsatz, öfter zu backen, und beschloss, Schokokekse zu machen. Als das erste Blech abkühlte, hörte sie Johnnys Schritte auf der Treppe.
»Aha, jetzt weiß ich, womit ich dich zum Essen runterlocken kann«, sagte sie, als er in die Küche kam.
Er rieb sich den Bauch und grinste. »Ich hab die Cookies bis oben unters Dach gerochen.«
»Erst ein Sandwich.« Sie zeigte zum Tisch. »Schinken-Käse oder Erdnussbutter-Marmelade?«
»Schinken-Käse und danach eine Million Cookies.«
Vanessa lachte. »Ich habe nur zweimal zwölf gebacken.« Sie belegte ein Sandwich für Johnny und eins für sich, und dann setzte sie sich zu ihm.
Während sie aßen, sprachen sie über die bevorstehenden Schulferien und Johnnys Weihnachtswunschzettel und schlossen eine Wette ab, wann es den ersten richtigen Schneesturm geben würde.
Als sie gerade fertig mit Essen waren, klingelte es. »Wer kann das sein?« Vanessa ging öffnen.
»Überraschung!« Der große, kräftige Mann, der vor ihrer Tür stand, packte sie, so dass sie mit den Füßen in der Luft hing, und umarmte sie stürmisch.
»Lass mich runter, Gary«, rief sie lachend.
Er stellte sie in der Diele auf die Füße und
Weitere Kostenlose Bücher