Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
sollte er sich vor sie hinstellen und es ihr sagen, anstatt sich hinter der Anonymität zu verstecken.
Die Rosen waren im Müll, den Kaffee hatte sie ausgetrunken, und es war an der Zeit, ihren Sohn abzuholen.
Als sie wenig später im Auto saß und zu ihren Schwiegereltern fuhr, kehrten ihre Gedanken zu dem Abend mit Christian zurück.
Sie war so jung gewesen, als sie Jim Abbott kennengelernt hatte. Mit ihm hatte sie zum ersten Mal eine erwachsene Beziehung geführt. Natürlich war sie vorher schon mit Jungen ausgegangen, doch während der Highschool-und der ersten Collegejahre hatte sie sich an niemanden fest gebunden. Jim war ihre erste große Liebe gewesen. Und sie hatte den Verdacht, dass Christian die zweite werden könnte. Sofern sie es dazu kommen ließ.
Es überraschte sie nicht, all die Autos in der Einfahrt der Abbotts zu sehen. Samstags versammelte sich der Familienclan oft zum traditionellen Biscuit-and-Gravy-Frühstück bei Annette, deren Wurstsoße berühmt war.
Dan, Vanessas Schwiegervater, öffnete die Tür. Er wirkte abgelenkt und sagte mit einem angedeuteten Lächeln: »Sie sind alle in der Küche.«
»Danke, Dan.« Vanessa durchquerte das Wohnzimmer, während er sich auf das Sofa setzte und den Fernseher lauter stellte, in dem gerade eine Nachrichtensendung lief.
Bethany, Steve, Garrett, Dana und Johnny saßen am Tisch, und Annette stand am Herd und rührte in einem Topf mit Wurstsoße, die für eine kleine Armee gereicht hätte.
»Hi, Mom«, sagte Johnny mit Brötchenkrümeln und Soßenresten in den Mundwinkeln.
»Da bist du ja.« Annette deutete auf einen freien Stuhl. »Setz dich. Ich bringe dir was.«
»Also?« Dana blickte ihre Schwägerin erwartungsvoll an.
»Also was?« Vanessa tat so, als wüsste sie nicht, was Dana meinte.
»Wie war’s gestern Abend?«
»Genau, war’s schön?«, fragte Johnny.
»Ja, sehr schön. Wir haben Steaks gegessen und nachher noch getanzt.«
»Ich wusste gar nicht, dass du gerne tanzt.« Annette stellte einen Teller mit Brötchenhälften und Wurstsoße vor sie hin.
»Wenn ich mich recht entsinne, hatte Jim zwei linke Füße«, sagte Garrett. Seine rotgeränderten Augen ließen vermuten, dass er in der vergangenen Nacht zu viel getrunken und zu wenig geschlafen hatte. »Ich bin seit jeher der Tänzer in der Familie.« Er stieß Johnny mit dem Ellbogen in die Rippen. »Auf der Tanzfläche kommt dein Onkel Garrett so richtig in Fahrt.«
Johnny kicherte, während alle anderen aufstöhnten. »Vielleicht solltest du weniger Zeit auf der Tanzfläche verbringen und dafür mehr Sorgfalt auf die Auswahl der Frauen verwenden, mit denen du ausgehst«, sagte Annette trocken.
»Ma, du tust mir weh«, rief Garrett aus.
»Wo ist denn Brian?«, fragte Vanessa, die fand, es war Zeit für einen Themenwechsel.
»Bei der Arbeit«, antwortete Dana. »Irgendein großer Auftrag, der bis Montagmorgen erledigt sein muss. Er hat gesagt, ich sehe ihn erst wieder, wenn er damit fertig ist.«
»Tante Dana hat mir ein Bild von Dad mitgebracht, das Onkel Brian gefunden hat«, sagte Johnny. »Es ist eine von Dads ersten Zeichnungen.«
»Das ist ja toll«, sagte Vanessa.
»Brian hat in ein paar Kartons in unserem Keller gewühlt, und dabei einige alte Bilder von Jim gefunden. Er meinte, Johnny würde sich vielleicht über die Zeichnung freuen, mit der Jim damals die Aufmerksamkeit seines Kunstlehrers erregt hat«, erklärte Dana.
»Johnny ist genauso begabt, wie Jim es war«, sagte Annette. Sie ging zu ihrem Enkel hinüber und küsste ihn auf die Stirn. »Dieser Junge hier wird einmal noch berühmter sein als sein Vater. Wenn die Leute über Jim Abbott reden, werden sie nicht nur sagen, wie talentiert er war, sondern auch, wie talentiert sein Sohn ist.«
Johnny nickte, und sein kleines Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. »Du wirst stolz auf mich sein können, Grandma. Wart’s nur ab.«
»Ich bin sicher, deine Grandma ist auch dann stolz auf dich, wenn du nie wieder ein Bild malst«, sagte Vanessa und warf Annette einen scharfen Blick zu.
»Natürlich bin ich das«, stimmte Annette eilig zu. »Wir sind alle stolz auf dich, Johnny.«
Steve stand vom Tisch auf und schaute auf die Uhr, dann sagte er mit einem Anflug von Ungeduld zu seiner Frau: »Zeit zu gehen, Schatz. Wir müssen den Laden aufmachen, und ich habe noch ein paar Termine in der Stadt.«
»Wie geht es denn mit der neuen Filiale voran?«, fragte Vanessa und schnitt ein Stück von ihrem riesigen, mit
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