Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
seinen Handgelenken.
„Geh mit ihr vor!“, rief Malte seinem Kollegen zu.
Frank fasste Shirley am Oberarm und führte sie aus dem Trakt hinaus durch den schmalen Gang ins Büro. Malte und Kleine, sowie ihr Kollege vom Grenzschutz folgten ihnen. Kleine machte einen sehr ruhigen und gefassten Eindruck. Seine britische Freundin ignorierte ihn und machte keine Anstalten mehr, ihn ihren Zorn spüren zu lassen. Kleine machte wirklich einen jämmerlichen Eindruck, der durch die geschwollene und offensichtlich genähte Oberlippe noch verstärkt wurde.
Sie verabschiedeten sich von dem Grenzschutzkollegen und dankten ihm. Den Wagen hatten sie unmittelbar vor dem Eingang mit rotierendem Blaulicht stehen lassen. Fahrer und Beifahrer saßen in dem Auto, durch eine Metallgitterwand von den hinteren Plätzen getrennt. Frank schob Shirley auf den Beifahrersitz, während Malte mit Kleine hinten Platz nahm. Als Frank einstiegen war, griff er um Shirley herum nach ihrem Sicherheitsgurt. Plötzlich zuckte er zusammen, denn er war Shirleys Gesicht dabei so nahe gekommen, dass sie die Gelegenheit genutzt hatte, ihm ins Ohr zu pusten. Sie feixte ihn frech an, als er den Gurt um sie legte und einrasten ließ. Kurz darauf schaltete Frank das Blaulicht aus und fuhr los. Kleine schwieg, Malte sagte nichts, Shirley starrte vor sich hin, und so sah auch Frank keinen Anlass, für Unterhaltung sorgen zu müssen. Eben dachte er daran, dass sie noch vor vier Tagen deprimiert darüber waren, dass sie keinen Schritt vorwärts kamen. Jetzt hatten sie eine wichtige Festnahme und möglicherweise den Schlüssel zu den Morden in den Händen.
„Habt ihr Lachner auch?“, fragte Shirley plötzlich. Sie hielt den Kopf gesenkt und hatte sehr leise gesprochen, so dass Frank einen Moment glaubte, nicht richtig verstanden zu haben.
„Bitte? Wen?“, fragte er nach.
„Robert Lachner!“, wiederholte sie, immer noch sehr leise, aber deutlich verständlich, und jetzt hatte sie sich um sehr deutliche, fast akzentfreie Aussprache bemüht.
„Nein. Warum? Wer soll das sein?“, erkundigte sich Frank, ebenfalls leise. Offensichtlich wollte Shirley nicht, dass Kleine von dem Gespräch etwas mitbekam.
„Freund von Stefan. Wenn wir verhaftet sind, muss er nicht frei sein!“, flüsterte sie nahezu.
Muss Rache süß sein
, dachte Frank und lächelte vor sich hin.
***
Auf dem Schulhof herrschte scheinbar Chaos. Während in der einen Ecke einige Jungs aus der Fünf Fußball spielten und dabei einen Lärm für Hundert veranstalteten, tobten einige andere Schülerinnen und Schüler scheinbar sinnlos über den Hof und spielten irgendeine Variante von „Fangen“. Es war Pause. An vielen Stellen auf dem Hof standen größere und kleinere Gruppen von Kindern und Jugendlichen zusammen. Sie unterhielten sich, scherzten und lachten. Die Bänke waren besetzt, und ein paar Schüler in der Ecke vor der Cafeteria rauchten verbotenerweise. Eine Aufsicht war nicht zu sehen. So konnten die Schüler entspannt bleiben. Steffie stand abseits vom fröhlichen Treiben an die Wand des Altbaus gelehnt. Sie war blass. In das Betrachten ihrer Schuhspitzen versunken merkte sie gar nicht, dass sich Rainer Kirchhoff näherte.
„Hallo, Steffie.“
Sie schaute auf.
„Tag, Herr Kirchhoff.“
„Du bist alleine?“
„Scheint so.“
„Möchtest du alleine sein?“
Steffie zuckte mit den Schultern.
„Soll ich gehen?“
Sie schüttelte den Kopf. Rainer Kirchhoff stellte sich neben sie.
„Wir haben noch zehn Minuten. Du kannst reden, wenn du willst. Ich habe Zeit.“
Rainer Kirchhoff registrierte ein leises Nicken von Steffie.
„Zehn Minuten sind nicht viel.“
„Es ist aber ein Anfang.“
Es breitete sich Schweigen zwischen beiden aus. Wie aus großer Entfernung nahm Steffie den Pausenlärm wahr. Der Lehrer sah ein, dass er beginnen musste.
„Wo sind denn Trixi und Sabrina?“
Schulterzucken. Immer noch hielt Steffie den Blick gesenkt.
„Die wollen mit mir nichts mehr zu tun haben.“
Steffie hob den Kopf und Rainer Kirchhoff erschrak über ihr Gesicht.
„Haben sie dir das gesagt?“
Steffie nickte und sah ihn weiter an.
„Sabrina hat mich Nutte genannt.“
Ein Zittern ging um Steffies Lippen, als würde sie jeden Augenblick anfangen zu weinen. Rainer Kirchhoff legte Steffie den rechten Arm um die Schultern und zog sie leicht an sich heran.
„Steffie, das hat sie doch nicht so gemeint …“
„Doch!“
Steffie presste dieses Wort aus sich heraus.
„Ihr
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