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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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müssen.
    E r ist wieder im Palast der Stürme.
    Im Kloster, das tief in den Wäldern von Darkod verborgen ist, hat er seine Bestimmung gefunden. Sein Leben ist das Heilen, die Erhaltung der Magie in den Seelen aller Geschöpfe, die Gebete, die Meditationen in den stillen Hallen. Nur selten, an einigen wenigen Festtagen im Jahr, kehrt er an den steinernen Hof in Bandothi, die Feste Bathkor, zurück, wo sein Vater, der König aller Elben, und dessen Gemahlin, die Königin, leben. Seinen Bruder Tarind, den Wassermagier, hat er erst einmal gesehen, seit er hierhergeschickt wurde, um Heiler zu werden. Sein Zwilling lebt in Dasthuku, im Hause der Elben von Loranon.
    Als Heiler spürt er die Magie aller Geschöpfe am Rande seines Bewusstseins. Doch die Seelenbilder derer, die ihm nahestehen, sind besonders stark und seiner Seele verbunden wie Glieder mit einem Körper. Da ist der Vater, der Magier des Sturms und der Heilkraft, ein goldener Windwirbel, dem seinen ähnlich. Er ist Telarion am nächsten, da die goldene Lebenskraft in Dajaram so stark ist wie in seinem jüngeren Sohn. Und doch ist Telarions Seele anders. Sein Luftwirbel hat die stille, trockene Kälte der Yveth von Kantis, der Eiselbin, die er wie eine durchsichtige, klare Form ebenfalls am Rand seines Geistes spürt. Auch sein Bruder existiert nicht nur als Gedanke. Die wohltuende, fruchtbare Nässe des Sees, in den Vanars goldene Gabe tropfenweise hineinfällt, ist ein, wenn auch kleiner, Teil seines Selbst, obwohl Telarion nicht über die Wellen gebietet.
    Doch die Stille des Klosters am Fuß der Berge, in der oft nur das Gemurmel des Windes in den Bäumen und die Gebete der Shisans zu hören ist, wird an diesem Morgen von einem Schrei durchschnitten.
    Ein Schrei, der von Tod erzählt, von Finsternis und Feuer, das von so dunklem Purpur ist, dass man von schwarzen Flammen sprechen könnte. Die Flammen reißen die Seele Telarions entzwei, dort, wo gerade eben noch der Vater zu spüren war, dessen goldgrüner Windwirbel für ihn das Leben bedeutet.
    F ür einen Augenblick glaubt er, vor Hitze vergehen, vertrocknen zu müssen und zu Asche zu zerfallen. Die düsteren Flammen, die nur am Rand durch einen dunkelvioletten Schimmer zu sehen sind, fressen sich tiefer und tiefer in ihn hinein. Sie vernichten, zerstören.
    Doch in Sekunden, die der Schmerz zu Ewigkeiten dehnt, erkennt er, dass die Hitze nicht ihn vernichtet, auch wenn sie ihm die Seele zu zerreißen droht. Dann hallt eine letzter Klageschrei, der von Agonie und Trauer spricht, durch ihn hindurch; Trauer, die nur eine Seele empfindet, die vor der endgültigen Vernichtung steht.
    Zurück bleibt Leere. Eine schwärzliche Wunde, eine Narbe auf Telarions Seele, die kein Heiler je wird schließen können.
    Telarion Norandar wusste mit einem Mal, weshalb seine Seele die Gemahlin seines Zwillings all die Jahre verabscheut hatte.
    »Bruder?«
    Eine Hand lag auf Telarions Schulter. Fest, kühl, ein wenig feucht, so wie Blätter von taufrischen Kräutern, die Heilkraft besaßen. Langsam kam der Heermeister wieder zu sich. Eine leichte Brise wehte vom Eingang des Zeltes herein, kühlte sein erhitztes Gesicht und ließ die Tränenspuren auf seinen Wangen trocknen.
    Die Hand des Königs ließ ihn los. Der kühlende und heilende Effekt verschwand.
    Doch nicht der Schmerz in seiner Seele.
    Telarion wusste, dass die Heilmagie seines Bruders nicht stark war. Aber kein Heiler, den Vanar mit der Gabe des Lebens beschenkt hatte, war bisher imstande gewesen, die Wunde genesen zu lassen, die der Feuertod des Dajaram in der Seele seines jüngeren Sohnes hinterlassen hatte.
    Der König ließ seinem Bruder die Zeit, sich zu fassen.
    Er trat an den Tisch, nahm eine der Schriftrollen auf und wog sie in der Hand.
    »Die Vierte Rolle der Weisen«, sagte er nach einer Weile. »›Von den Kriegen zwischen den Elben und Menschen.‹ Vielleicht hättest du sie noch einmal lesen sollen, bevor du aufbrachst, Bruder,um dir in Erinnerung zu rufen, wozu die Kinder des Dunklen Monds fähig sind.«
    Zorn kochte in Telarion hoch. Wut, die von der gelben Flamme in ihm genährt wurde – denn nun wusste er, dass die Tochter des Siwanon nicht gelogen hatte.
    Das Feuer Sanaras, das ein Erbe ihres Hauses war wie sein Windwirbel und die Kälte das Erbe des seinen, war lohfarben. Nicht violett.
    Sie hatte die Wahrheit gesprochen.
    Kein Seelenherr des höchsten Hauses der Menschen hatte Dajaram getötet, es war Ireti gewesen. Tarind hatte ihn all die

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