Dunkelmond
Vogt gemeldet.«
Mehtid, der sich auf dem Weg nach Hause überraschend schnell wieder gefangen hatte, beförderte seine Zwiebeln und die Kräuter achtlos auf Sanaras Gemüse. Er war zornig, doch er wollte es seiner Mutter gegenüber nicht zugeben. Auch wenn er vor Sanara kein Blatt vor den Mund nahm, war er klug genug, vor seiner Mutter keine aufrührerischen Reden zu schwingen.
Sanara konnte nur hoffen, dass Ondra nicht erriet, was passiert war. Mehtid hatte sich dank Sanaras Feuerkraft zwar gut von Kälte und Wasser erholt, doch er war blass und nicht so energiegeladen wie sonst. Ihr selbst war immer noch eiskalt, als hätte sie zu viel von ihrem Feuer abgegeben.
Feuer, das nun ein Elb hat.
Sanara biss sich auf die Unterlippe. Elben waren in der Lage,den Menschen Wärme und magische Kraft zu stehlen und sie für sich selbst zu nutzen. Der Gedanke, dass dieser Elb nun von ihrer Kraft getrieben wurde, wenn wohl auch nicht lange, war für Sanara fast unerträglich. Sie tröstete sich damit, dass ein Wassermagier wie er so viel Feuer in sich als äußerst unangenehm empfinden musste.
Ondra wandte sich wieder ihrem Kessel zu. »Es ist kaum zu glauben, dass es noch so dumme Menschen gibt«, brummte sie und schürte noch einmal das Herdfeuer.
Mehtid schnappte sich ein Messer und begann eine der blauen Rüben zu schälen. Er schnitt viel zu viel von der Knolle herunter, doch Sanara war froh, dass er über seinem Ärger die Arbeit in der Taverne nicht vergessen hatte.
»Aber Mutter, das kann so nicht weitergehen!«, platzte es unvermittelt aus ihm heraus. »Erst waren es nur die Seelenherren, die verboten wurden. Das war ja noch verständlich, immerhin hat ein Seelenherr den Vater des Königs ermordet. Kein Wunder also, dass er und sein Bruder sie alle hassen… auch wenn es schrecklich ist, keine Seelenherren mehr zu haben«, fügte er hastig hinzu.
Sanara sah, wie sich die Wirtin, ohne etwas zu erwidern, abwandte.
Mehtids Tante, Ondras Schwester, war eine bekannte Seelenherrin gewesen, die die Seelen der Toten hinübergeleitet hatte. Dem Glauben der Menschen zufolge kehrten die Seelen aller Lebewesen zurück zu ihren Schöpfern. Bei den Menschen war dies Akusu, der Dunkle Mond, der sie als sein Volk geschaffen hatte. Doch allein konnten die Seelen den Weg in den Nebeln der Jenseitigen Ebene nicht finden; es waren die Seelenmagier, die ihnen mit Gesängen und ihrer Macht dabei halfen. Nachdem vor etwa zehn Jahren die Ausübung der Seelenmagie verboten worden war, hatte man Ondras Schwester, wie so viele Seelenherren und -herrinnen, verhaftet und in die Festung Bathkor gebracht. Sie erhob sich mitten in Bandothi auf einem Felsen, und in ihr residierte der Elbenkönig. Niemand hatte je wieder etwas von ihnen gehört.Die Seelenherren, die man nicht festgenommen und hingerichtet hatte, arbeiteten im Geheimen – oder verbargen ganz, über solche Macht zu verfügen.
Mehtid sah sich durch die Reaktion seiner Mutter bestätigt. »Siehst du! Dieser Weber tat nichts weiter als das, wozu ihn der Dunkle Mond bestimmt hat.« Er warf das Gemüsemesser auf den Tisch.
»Der König und sein Bruder müssen weg!«, sagte er nach einer Pause halblaut. »Ich weiß, dass der Heermeister für sich beansprucht, ein Herr des Lebens zu sein. Doch mit dem, was er tut, begünstigt er nur den Syth und das Chaos.«
Ondra tat so, als habe sie nicht richtig zugehört und schüttete noch etwas Wasser in den Kessel.
Sanara schnitt eine Lauchstange in Ringe. »Mehtid hat nicht unrecht«, sagte sie. »In Bandothi leben mehr Menschen als Elben. Wir könnten sie besiegen, wenn wir nur wollten!«
»Schluss jetzt«, rief Ondra. »Ich will in diesem Haus keine aufrührerischen Reden hören, verstanden? Und schält die Rüben gefälligst etwas sorgfältiger.«
Mehtid wollte protestieren, doch ein Blick Ondras hielt ihn zurück. Mit grimmiger Miene machte er sich wieder an die Arbeit.
»Sanara, wenn du den Lauch fertiggeschnitten hast, hilf Lury und Settar in der Schankstube. Heute gibt es viel zu tun.«
Sanara musste lächeln, als Ondra mit einem Zwinkern in ihre Richtung eine zusätzliche Prise Salz in den Eintopf streute.
Je salziger das Essen, desto durstiger die Gäste.
Einige Stunden später stieß Sanara die Tür, die vom Schankraum in die Küche führte, erschöpft auf. Sie stellte einen Stapel leerer Schüsseln so heftig auf den Tisch, dass es klirrte. Sanara ließ sich auf die Küchenbank fallen. Seit sie vom Markt zurückgekommen
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