Dunkelmond
auf die Straße. Einen Menschen, wie an seiner dunklen Haut und den verfilzten und hochgebundenen Locken deutlich zu erkennen war. Wahrscheinlich war es der Weber dieser Werkstatt selbst, denn seine Frau eilte weinend hinter den Soldaten her, die ihren Mann auf die Gasse gezerrt hatten.
Die Wachen übten keinerlei Zurückhaltung. Sie hatten dem Mann grob den linken Ärmel vom Kittel abgeschnitten, nun hing er in Fetzen von der Schulter hinab und entblößte den Arm des Mannes. Auf seiner Haut waren rote, abstrakte Muster zu erkennen, die an stilisierte Tiere erinnerten; schwarzbraune Streifen symbolisierten eine Landschaft. Der Weber war ein Magier, der mit Tieren zu sprechen und umzugehen verstand und dies auch bei den Shisans gelernt hatte.
Nicht jeder, der in Bandothi solche Zeichen am Arm trug, wurde verhaftet. Doch wer sie besaß, musste sich beim Vogt der Festung melden, die über der Stadt thronte, und seine Zauberkraft in den Dienst des Königs der Elben stellen. Offenbar hatte dieser Mann das versäumt.
Sanara trat von hinten an eine Frau heran, die sich nicht wie die anderen zurückgezogen hatte, sondern nur halb hinter einem Stapel aus Stoffballen versteckte. Dort war sie ein wenig vor der kühlen Luft und der Elben-Aura, die Angst und Panik schürte, geschützt.
»Was ist passiert?«
Die Frau betrachtete Sanara aufmerksam, als wolle sie sich vergewissern, dass sie keine Spionin der Wache war. »Jarondin ist ein guter Weber und hat viele Neider«, sagte sie schließlich. »Doch er wollte sich nicht beim Vogt melden, weil er keinen Tribut in Form von Arbeit zu leisten bereit ist.«
Sanara nickte langsam.
Es gab nicht mehr viele von Akusu Gesegnete, die hier in der Hauptstadt noch ihrem Tagwerk nachgehen konnten, ohne wenigstens ein paar Tage pro Woche dem König der Elben zu dienen. Oft hielten die Menschen zusammen und verrieten die Ihren nicht, wenn dem so war. Doch wenn Neid ins Spiel kam, konnte es schnell passieren, dass man sich in den Verliesen des Herrschers wiederfand.
Irgendjemand musste den Weber an die Elben der Palastwache verraten haben. Vielleicht ein Nachbar, der sich erhoffte, lästige Konkurrenz auszuschalten, vielleicht auch einer, der sich bei der Wache einschmeicheln wollte. Aber vielleicht hatten Jarondin auch einfach nur seine außergewöhnlich schönen Stoffe verdächtig gemacht.
Sein Fehler war in jedem Fall, sich dem Fronvogt des Königs nicht zu melden. Jetzt büßte er dafür, indem die Elben Wasser beschworen, das in seine Lungen drang, dazu Eiskristalle, die trotz der Hitze an seinen Wimpern wuchsen, und Raqordornen, die sich um seine Glieder schlangen.
Seine Frau jammerte und versuchte, ihren Mann aus dem Kreis der Wachen herauszuziehen, doch sie kam gegen die Kraft derElben nicht an, die zudem noch größer wurde, je mehr sie den Weber quälten. Die Frau neben Sanara trat vor und legte den Arm um die Frau des Webers, doch sie hatte Mühe, sie zu beruhigen.
Sanara wusste, warum. Die Soldaten würden den Mann mit in die Festung nehmen, die über der Stadt thronte. Dort würde dem Weber eine Prüfung bevorstehen. War seine Magie stark genug, würde er nach der Strafe, die ihn erwartete, weil er in Freiheit hatte leben wollen, in die Dienste des Hauses Norandar und somit in das gezwungen werden, was Menschen mit Stolz Sklaverei nannten. Erwies sich seine Kraft hingegen als zu schwach, würde er wegen Täuschung hingerichtet werden.
Die Haartracht des Webers, die die Haare nach alter menschlicher Sitte bändigte und sie dennoch frei sprießen ließ, wirkte wie ein Symbol dafür, dass es für ihn wahrscheinlich schlimmer sein würde, unter jemandem dienen zu müssen, als zu sterben.
Sanara holte Luft, um den Hauptmann der Elben, der seinen Soldaten gelassen dabei zusah, wie sie den Weber quälten, um Milde zu bitten. Doch ihr kam jemand zuvor.
»Lasst ihn los!«
Bisher hatte Sanara ihn nicht entdecken können, doch nun schoss Mehtid aus der Menge hervor und warf sich den Soldaten entgegen, von denen einer gerade eine neue Dornenranke um die Kehle des Webers schlang.
Sanara erschrak. Sie wusste, dass Mehtid die Elben hasste. Er hatte erst vor zwei Jahren mit ansehen müssen, wie die Wache des Vogts seinen Bruder gefangen nahm. Harajid hatte sich nichts weiter zuschulden kommen lassen, als einem der Soldaten zu widersprechen. Es hatte ihn das Leben gekostet, sein Kopf war, abgetrennt von einer Ranke, Mehtid vor die Füße gerollt, bevor dieser auch nur einen
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