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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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der Holzbalken gekrochen und hatten sie gesprengt. Die lehmverputzte und bemalte Fassade von Lurys Taverne war an so vielen Stellen von den aggressiven Pflanzen zerstört worden, dass kaum noch ein Stein auf dem anderen stand.
    Feuchtigkeit und der schwere Geruch verfaulten Wurzelwerks durchdrangen die Luft. Immer noch schlangen sich Ranken und Lianen, an denen giftig aussehende Blüten hingen, die jetzt in der Dunkelheit der Nacht seltsam farblos schienen, durch die eroberte Ruine der Taverne.
    Nichts wies mehr darauf hin, dass dies ein Haus gewesen war, in dem sich die Kinder des Akusu hatten wohlfühlen können.Mit steinernem Boden, einer großen Feuerstelle, mit verputzten Wänden, an die Szenen aus alten Sagen gemalt waren, mit Tischen voller irdenem Geschirr.
    Das alles war unter den treibenden Büschen, Bäumen, Blüten und Zweigen, die sich immer noch umeinander rankten, verschwunden. Das obere Stockwerk war heruntergestürzt, nachdem die Wurzeln der Lokantabäume den Stützpfeilern zu Leibe gerückt waren.
    Doch Sanara spürte die feuchte, kühle Luft um sich herum nicht, obwohl sie inmitten der Verwüstung stand. Ihre Fingerspitzen prickelten, ihr Blut kochte, als sei sie selbst eine Flamme, die lichterloh brannte. Sie sah auch nicht, dass sich um sie herum ein verkohlter Fleck auf dem Boden ausbreitete, rührte sich nicht vom Fleck. Laub und Blütenblätter, die aus den Lokantabäumen und Raqorbüschen herabschwebten, verpufften zu Ascheflöckchen, kaum, dass sie ihre Haut berührten.
    Neben allem Zorn, der sie wie glühende Lava durchfloss, hatte Sanara auch Angst. Angst vor dem, was sie vorfinden würde, wenn sie weiterging und ihren jetzigen Platz inmitten der überwucherten Ruinen verließ.
    Sie versuchte, in der Finsternis etwas zu erkennen, doch das blasse Licht des Silbermonds ließ nicht erkennen, ob die dunklen Stellen an den Stämmen und Stängeln Moos waren oder etwas anderes.
    Sie haben mich gesucht. Mich. Warum mussten sie die Taverne vernichten? Sie nennen sich Herren des Lebens, aber sie können nur vernichten!
    Wieder raschelte es, ein ächzender Laut ertönte, als die Wurzel eines Raqors durch die verputzte Wand brach. Es klang beinahe menschlich.
    Mit einem leisen Rascheln zischte ein Zweig an ihrem Ohr vorbei. Die wolligen Tentakel, die aus seinen Blüten hingen, strichen flüchtig an ihren Schultern entlang, klebrig und fein wie das Netz einer Spinne. Die Blüte hatte sich ihr zugewandt, so als schaue siedie Menschenfrau zwar an, wage es aber nicht, ihr Gift zu verspritzen.
    Die hauchfeinen Wolltentakel, die über sie hinweggestrichen waren, begannen plötzlich zu glühen und zu rauchen. Am Ende wurden winzige Ascheflöckchen von Sanaras Atem davongetragen. Mit einem kaum hörbaren Stöhnen verschwand die Blüte im dichten Blätterwerk des Lokantabaums, der in der Mitte des Schankraums aus dem tragenden Balken gewachsen war.
    Langsam setzte sich Sanara in Bewegung. Wo sie auch hintrat, zischten und raschelten die Pflanzen wie bösartiges Getier. Doch überall wichen sie auch zurück, sobald sie Sanaras Haut berührten. Vielleicht spürten sie, dass die Macht der Feuermagierin sie alle vernichten konnte. Sie rückten schließlich so weit von ihr ab, dass Sanara sehen konnte, wo genau sich der mittlere Stützbalken befunden hatte. Sie trat nah an den Balken heran, aus dem jetzt überall die graue Rinde des Lokantabaums hervorbrach, und strich über das trockene Holz, so als würde das genügen, um wenigstens einen Teil der Herberge wiederherzustellen.
    Doch plötzlich berührten ihre Hände etwas Weiches. Sie starrte auf die Rinde. Hatte die Pflanze wieder ihre Blütenfäden ausgeworfen? Sie wischte die Hände unwillkürlich an ihrem Rock ab.
    Und dann erkannte sie, was sie berührt hatte. Es waren Haare. Braune Haare.
    Mit zitternden Fingern wollte Sanara das Blattwerk beiseiteschieben, doch die Pflanzen wichen vor ihrer Hand von ganz allein zurück und gaben frei, was sie erstickt hatten: drei Menschen, die sich fest aneinandergeklammert hatten, als die giftigen Dornen der Raqororchidee ihre Körper durchbohrten.
    Sanara sank auf die Knie und strich Ondras Leiche die braunen Strähnen aus dem selbst im Tod noch entsetzten Gesicht. Das Gefühl, dass sie hätte hier sein und mit denen sterben sollen, die ihr in den letzten Jahren zur Familie geworden waren, wurde übermächtig.
    Sie wusste nicht, wie lange sie so dasaß und Ondra anstarrte,die Settar und Mehtid im Augenblick des Todes eng

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