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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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nach tun? Noch einen Aufstand anzetteln? Wie der letzte Versuch endete, weißt du besser als alle anderen. Vierzig von uns landeten in den Verliesen, viele starben jämmerlich, noch mehr mussten fliehen. Dein Bruder war einer von ihnen! Und wir anderen sollten alles tun, dass niemandem mehr das gleiche Schicksal widerfährt.«
    »Ich kann nicht still sitzen und zusehen, wie die Kinder des Akusu zu Sklaven gemacht werden!«, rief Sanara.
    Anjoris’ Blick fuhr erschrocken von ihr zum halb offenen Fenster, das auf eine Seitengasse hinausführte. Sie stellte den Farbtiegel ab und schloss den Laden, kehrte wieder zum Tisch zurück, nahm Sanaras Becher und streute ein wenig Lavendel in den Teebecher.
    »Du hast offenbar noch nicht die neuesten Nachrichten gehört, Sanara«, sagte sie und stellte den Becher neben der Freundin ab. »Nach allem, was man hört, waren Tarind und sein Zwilling in Erathi siegreich. Kharisar ist gefallen. Man munkelt sogar, dass sich die Erde selbst gegen den Khariten wandte. Du weißt, was das heißt!«
    Sanara starrte Anjoris an. »Wer sagt das?«
    »Baradhin sagte es mir. Er erfuhr es zu Beginn der Roten Stunde. Ein Erdbeben ließ die Stadtmauern Kharisars einstürzen, sodass die Truppen von Fürst Telarion die Stadt stürmen konnten.« Anjoris wandte den Blick von Sanara ab und begann, ein wenig eines dunklen Pigmentpulvers in den Mörser mit der Hautfarbe zu geben. Während sie langsam die neue Farbe anrührte, mit der sie Sanaras Sommersprossen imitieren wollte, sprach sie weiter. »Baradhin sagt auch, dass das wohl endgültig der Beweis dafür sei, dass Tarind und sein Zwilling im Besitz des Siegels sind.« Für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als wolle sie noch etwas hinzufügen, doch sie presste die Lippen aufeinander und schwieg.
    »Niemals!« Sanaras Hand, die auf dem Tisch gelegen hatte, ballte sich zur Faust. »Das kann nicht sein. Tarind hat das Siegel nicht!«
    »Halt still«, sagte Anjoris ruhig und begann, die dünne bräunliche Farbe aus ihrem Mörser auf Sanaras Dekolleté zu tupfen.
    »Tarind hat das Siegel nicht«, beharrte Sanara verzweifelt. »Siwanon hat sich geweigert, ihm zu folgen!«
    Anjoris antwortete nicht. Sie hatte den Kopf jetzt so tief über die Hautstelle geneigt, die sie bemalte, dass Sanara ihren Atem spürte. Doch das Gesicht der Freundin sah sie nicht.
    »Ich weiß, dass du mir nicht glaubst«, sagte sie dann. »Du glaubst Sinan. Doch Sinan hat unrecht! Unser Vater war kein Verräter. Selbst wenn er das Siegel hätte erringen können, er hätte es niemals einem Elben aus dem Haus Norandar gegeben!«
    »Er hat das Gespräch genauso gehört wie du!«, sagte Anjoris.
    »Siwanon hat nie gesagt, dass er Tarind das Siegel ausliefernwürde! Nicht einmal Sinan behauptet das«, gab Sanara trotzig zurück.
    »Siwanon verhinderte das Massaker im Tempel des Westens nicht. Stattdessen sah er ungerührt zu und ging dann einfach mit dem Milchbruder des Königs mit.«
    Sanara stöhnte auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wie hätte er denn das Massaker verhindern sollen? Gerade Sinan sollte nicht herumgehen und allen erzählen, dass man die Jenseitigen Ebenen mit einem Fingerschnippen besuchen und dort eine Armee von Seelen auslöschen kann!«
    Anjoris hob den Kopf. »Woher sollte er das wissen? Du bist die Tochter des Siwanon, du hast die Gabe deines Hauses geerbt, nicht er.«
    »Aber ich kann diese Gabe nicht nutzen.«
    Sanara starrte wieder auf das Stück Haut, auf dem das Wappen ihres Hauses nun nicht mehr zu sehen war. Verborgen von Farbe, damit niemand erfuhr, dass die Kinder des Siwanon noch lebten. Sie schämte sich mit einem Mal. Nicht dafür, dass sie eine Amadian war. Doch es kam ihr vor, als verberge sie eine Schande, von der sie sehr wohl wusste, dass sie keine war. Auch wenn der Rest der Welt, einschließlich ihres Bruders, das glauben mochte.
    Anjoris stellte den Napf auf den Tisch und betrachtete ihr Werk. Wer es nicht wusste, konnte jetzt nicht mehr sehen, dass sich auf Sanaras Haut, über dem linken Busen, das Wappen einer Adelsfamilie befand.
    »Du hast es gelernt«, sagte sie dann.
    Sanara schnaubte. »Man muss den Bruder des Königs wahrlich beglückwünschen. Er nennt sich ein Herr des Lebens und hat es geschafft, nicht nur die Seelenherren auszurotten, sondern auch jegliche Kenntnis über ihre Kunst!«, stieß sie hervor. »Ich stand erst am Anfang meiner Ausbildung. Seelenherren können die Nebel nur betreten, wenn es jemanden gibt,

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