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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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Stellen an den Armen und der Hüfte. Die blauen Flecken konnte sie nicht sehen, dazu war es zu dunkel; sie ließen sich nur erahnen. Die weiße Bluse, die sie trug, war am rechten Ärmel gerissen und schmutzig, wo sie auf den Boden gefallen war. Obwohl der Stoff trocken zu sein schien, wusste Sanara nicht genau, ob sie unter der Kruste von Schmutz geblutet hatte. Als sie die Bluse über der linken Brust beiseiteschob, war in der Düsternis keine Tätowierung zu sehen.
    Es war ein Trost, wenn auch ein schwacher.
    Als sie erwacht war, hatte der Zorn sie übermannt. Sie erinnerte sich, dass sie zur Tür ihres Verlieses gerannt war und mit den Fäusten dagegengeschlagen hatte. Niemand hatte reagiert und schließlich hatte sie erschöpft aufgegeben. Nun schmerzten die Hände, als hätten sich Splitter in die Haut gebohrt.
    Und auch ihre Kehle war immer noch wie zugeschnürt vor Enttäuschung, Zorn und Angst. Am liebsten hätte sie sich in einer Ecke verkrochen, an den Stein gelehnt und gehofft, die Sandsteinwände würden ihre Körperwärme aufnehmen und an sie zurückstrahlen. Doch in drei von vier Ecken glaubte Sanaraetwas zu spüren, das ihr mehr als bloßes Unbehagen bereitete. Graue Nebelschwaden, kaum heller als die Düsternis des Gewölbes, nisteten dort – wobei sich Sanara nicht einmal sicher war, ob sie tatsächlich existierten. Noch weniger war ihre Natur zu erahnen.
    Was sich in der vierten Ecke befand, war noch rätselhafter, auffällig jedoch der Geruch, der davon ausging.
    Verzweiflung überkam Sanara. Sie schlang die Arme um sich und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Es hätte sie nur unnötig aufgeregt und geschwächt. Obwohl niemand auf ihren Wutausbruch an der Tür reagiert hatte, war sie sich sicher, beobachtet zu werden. Und niemand, schon gar keine Elben, sollten den Triumph auskosten können, sie weinen zu sehen.
    Sie zwang sich, ruhig zu atmen.
    Minuten verstrichen, Stunden. Sanara bemühte sich, ihren Herzschlag zu verlangsamen. Doch immer wieder brach sich die Trauer um die Toten Bahn und trieb ihr die Kälte bis ins Mark. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, bis sie endlich wieder ruhig und gleichmäßig zu atmen vermochte. Doch kurz darauf schienen Kälte und Dunkelheit erneut auf sie einzustürmen, trachteten sogar danach, sich ihres Denkens zu bemächtigen.
    Wieder versuchte sie, ihren Geist von den Bildern zu leeren, was mit Lury und Ondra, Settar und Mehtid und der Taverne passiert war. Dass sie sich die Schuld an allem gab. Und ob man sie vielleicht schon beobachtet hatte, als sie die Schänke am Abend verlassen hatte.
    Vor ihrem inneren Auge schloss Anjoris wieder beunruhigt den Fensterladen ihres Wohnraums, nachdem Sanara ihrem Zorn über die Elben Luft gemacht hatte. Bei der Vorstellung, dass man sie und Anjoris belauscht haben könnte, musste Sanara sich einen verzweifelten Schrei unterdrücken.
    Was, wenn jemand gehört hatte, dass sie einem Haus angehörte, dessen Oberhaupt …
    Nein. Sie durfte nicht daran denken. Nicht hier, wo …
    S olche Feuermagie. So stark.
    Brynjar hatte Glück. Das Feuer in dir wäre stark genug gewesen, das Eis in ihm zum Schmelzen zu bringen.
    Sanara zuckte zusammen.
    Das waren nicht ihre Gedanken gewesen. Und doch hatte auch niemand gesprochen. Es war im Verlies so still wie zuvor. Gab es hier jemanden außer ihr, den sie nur noch nicht entdeckt hatte? War sie so über alle Maßen müde, dass er sich vor ihr verbergen konnte? Sie lauschte in die Dunkelheit, doch nichts war zu hören, gar nichts.
    Sie sah sich um. Der graue Nebel in der Ecke links von ihr hatte sich nicht gerührt. Der dort hinten ebenfalls nicht. Nichts war anders.
    Doch als sie vorsichtig nach rechts sah, erkannte sie, dass der absonderliche Nebel dort angefangen hatte, sich träge zu bewegen. Winzige Fahnen schienen sich abzuspalten, zu verwirbeln, sich zu verdichten und wieder auszudünnen. Für einen Moment stockte ihr der Atem, weil es ihr so vorkam, als hätte sie genau wissen sollen, was dort geschah. Sie lauschte in sich – und wurde fündig.
    In jeder der drei Ecken befanden sich … Knochen. Menschenknochen.
    Und der graue Nebel war …
    Eine so starke Kraft! Die Magie des Feuers.
    Doch da ist auch Dunkel in dir. Das Dunkel des Akusu. Es ist klein. Versteckt. Als wolltest du es verbergen. Doch das vermagst du nicht. Es ist zu stark.
    Eine Sekunde erklangen die Worte so nah an ihrem Ohr, dass Sanara am liebsten danach geschlagen hätte wie nach einer Fliege. Dann kamen sie

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