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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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durchfuhr der Klang seiner Stimme wie ein Messer.
    Das war der Mann, der seinen Vater damals festgehalten und ihn gezwungen hatte, das Gemetzel an seinem Volk mit anzusehen. Und dem sein Vater dann beinahe willenlos gefolgt war.
    »Betrachtet das große Ganze. Ein Erdbeben half Euch, den Khariten zu besiegen, und es war ein Hochwasser, das Euch und dem Heer lange den Übergang über den Lithon verwehrte. Seit Tagen brennen nun die Sonnen auf uns alle herab. Wieso sollte sich dieser Mann also der Mühe unterziehen, ein Erdbeben auszulösen, wenn es der Schöpfergeist des Chaos selbst ist, der sich in all diesen Unbilden zeigt?«
    Unwillig winkte Tarind ab. »Ihr seid blind, alle beide!«, rief er. Wieder bückte er sich und zog Sinan am Kragen in die Höhe. »Seht ihn euch an! Er und sein Volk wurden nur geschaffen, weil Syth den Unfrieden schätzt und dem Goldenen Mond sein eigenes Volk nicht gönnte! Ein Dunkelmagier nahm uns den König, dir und mir den Vater, und nun ist es wieder dunkle Magie, die mir beinahe auch noch den Bruder genommen hätte! Dieses Volk muss endlich begreifen, wie vermessen es ist, den gleichen Platz einnehmen zu wollen wie wir!«
    Mit zitternden Beinen blieb Sinan stehen. Doch er senkte den Blick nicht. Er erwiderte den des Königs, so furchtlos er konnte, und zwang sich, sich auch nicht davon ablenken zu lassen, dass Berennis noch immer leblos am Fuß des Felsens lag. Er musste sich später um sie kümmern.
    »Das Volk Akusus wird büßen, dass es dem Tod huldigt«, erklärte der Heermeister jetzt. »Du solltest dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren, Bruder, ich tue es auch nicht. Doch es nützt niemandem, wenn dieser Schmied jetzt für etwas büßt, das er möglicherweise nicht getan hat. Er kann mit seiner Magie kein Erdbeben auslösen.«
    Sinan staunte. Telarion Norandar nahm ihn gegen seinen eigenen Bruder in Schutz? Damit brachte er sich vor seinem Volk in eine unangenehme Situation – um der Gerechtigkeit willen?
    Widerwillig spürte er einen Funken von Dankbarkeit und Bewunderung in sich, doch bevor er sich dies selbst eingestehen konnte, sprach der Heermeister schon weiter.
    »Und das wird er dir auch beweisen. Morgen beim Aufgang der Weißen Sonne wird er die Werkstatt neben meinem ethandin wieder aufgebaut haben. Er und sein Gehilfe werden dir zeigen, dass ein Schmied die Kräfte der Erde und des Feuers nur gemeinschaftlich zu nutzen versteht.«
    Sinans Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. Er würde sofort anfangen und die ganze Nacht arbeiten müssen, um die Werkstatt, die völlig zerstört war, wieder aufzubauen; obwohl die Menschen seine Hilfe beim Wiederaufbau des eigenen Lagers dringend gebraucht hätten. Stattdessen würde er hier den Elben etwas beweisen müssen, das selbstverständlich hätte sein sollen.
    Und dann war da noch Berennis…
    Tarind schien seiner Meinung zu sein. »Was soll das beweisen?«, stieß er hervor. »Dass er die Magien von Feuer und Erde nicht trennen kann? Woher willst du das wissen?«
    Es war Iram Landarias, der anstelle des Heerführers antwortete. Er lachte leise. »Ich denke, es fiele Eurem Bruder leicht, die Magie dieses Sklaven zu erkunden, wenn ihm denn der Sinn danach stünde. Aber so ist es doch besser und angenehmer für alle   – der Schmied kann seine Arbeit unter Beweis stellen, und Euer Bruder muss seine Magie nicht mit den dunklen Kräften dieses Sklaven beflecken.«
    Sinan senkte nun doch den Blick und wandte ihn der nach wie vor leblosen Berennis zu. Seine Wunden brannten genauso, wie die herablassenden Worte der drei Elbenfürsten, die vor ihm standen, genauso, wie die Tränen, die in seine Augen schossen, und die hilflose Wut in ihm darüber, sich ihnen unterwerfen zu müssen.
    Mit einem Mal war ihm gleichgültig, was mit ihm geschehen würde. Er wandte sich ab, ließ die Herrscherzwillinge und ihren Berater stehen und kniete neben der jungen Frau nieder, die hier nur lag, weil sie ihn hatte verteidigen wollen. Ronan, der immer noch neben ihr saß, wich ein Stück zurück. Sinan bemerkte es kaum, als er ihr eine feuchte Strähne ihres rotbraunen Haars aus der bleichen Stirn strich.
    Noch in Kharisar hätte ich mich nie mit einer Frau abgegeben, die ihr Bett mit einem anderen, geschweige denn einem Elben teilt. Und jetzt? Jetzt habe ich Respekt vor ihr. Sie besitzt Würde.
    Bedauern, sie nicht näher gekannt zu haben, machte sich in ihm breit. Doch als seine Hand über ihren Hals strich, war sie noch warm.

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