Dunkelmond
was das für sie bedeutet hätte.
Sinan hockte sich noch einmal vor Berennis und strich ihr über das geflochtene Haar. »Ruh dich aus. Ich werde sehen, was ich im Lager tun kann.«
Berennis nickte, ohne die Augen zu öffnen.
Sinan wollte aufstehen und gehen, als er am Arm gepackt und fortgerissen wurde. Er landete einen halben Klafter von Berennis entfernt auf einer Grasnarbe, und stechender Schmerz durchzuckte seine linke Schulter. Sein Kopf schlug so heftig auf dem Boden auf, dass er Sterne sah.
»Schau, was du angerichtet hast!«
Einen Augenblick später drang Wasser in Sinans Lungen. Er rang nach Luft, doch eine Hand hatte sich um seine Kehle geschlossen. Ihm wurde schwarz vor Augen, und das Blut rauschte ihm in den Ohren, während seine Lungen sich mit Wasser füllten.
»Sieh dich um. Ihr Dunkelmagier könnt wirklich nichts anderes, als vernichten und töten.«
Sinan spürte, wie das orangefarbene Leuchten in seinem Inneren, seine Magie, von einer blauen Flut überschwemmt wurde. Er wusste nicht, wie er es fertigbrachte, doch er griff nach der Hand, die seine Kehle umklammert hielt und zerrte sie mit letzter Kraft von sich.
Luft strömte in seine Lungen, er hustete und rang nach Atem, als sei er zu lange getaucht. Doch ihm blieb nicht lange Zeit, sich zu erholen, er wurde an der Schulter emporgerissen und auf die Beine gestellt. Aber diesmal konnten sie sein Gewicht nicht tragen. Er sackte in sich zusammen und landete auf den Knien.
Nur langsam beruhigten sich Herzschlag und Atem. Er konnte sich darauf konzentrieren, das Wasser, das nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Magie im Griff gehalten hatte, zu verdrängen.
Der süßliche Geruch nach Wasserlilien stieg ihm in die Nase.
»Nun, Dunkelmagier?« Die Stimme des Königs war voller Hohn. »Ich wusste, dass mein Bruder zu gnädig mit dir war. Ich habe ihn gewarnt, doch er wollte nicht hören und gab den Deinen sogar ein Feuer!«
Sinan wollte widersprechen, musste aber wieder husten. Er spuckte Wasser neben Tarinds Stiefel und stützte seine Hände auf die Knie. Dann atmete er noch einmal durch.
»Ich kann nur annehmen, dass Ihr vermutet, das Erdbeben sei meine Schuld«, krächzte er. Sein Hals war rau, als habe er Salzwasser geschluckt.
Ein Tritt ließ ihn hintenüberkippen. In der Schulter, auf die er zuvor gefallen war, flammte neuerlicher Schmerz auf.
»Wer sonst als du, Aufrührer, sollte es wohl gewesen sein?«
Sinan richtete den Oberkörper langsam wieder auf. Er vermied den Blickkontakt zu Tarind. Endlich sah er sich dem Mann gegenüber, der einst im Kloster des Westens ein Massaker angerichtet und dem Abt, den Sinan so sehr verehrt hatte, nur um einer Bemerkung willen den Kopf abgeschlagen hatte.
Sinan versuchte, seine aufgewühlten Emotionen zu beruhigenund sie aus seinem Verstand herauszuhalten. Tarind durfte nicht merken, welches Bild Sinan von ihm hatte – und warum. Es wäre Sinans Todesurteil gewesen und vielleicht auch noch das von anderen.
»Nun, Großmaul? Fällt dir dieses Mal nichts ein, was du erwidern könntest?«
Wieder wurde Sinan von harter Hand getroffen und drohte, nach hinten zu kippen. Aber er konnte sich in der sitzenden Position halten.
»Meine Kraft ist nicht die der Erde« brachte er mühsam hervor. Sein Jochbein schmerzte. »Ich beherrsche die Schmiedekunst und kann Erze schmelzen und formen, nicht aber der Erde befehlen, sich aufzutun. Die Kraft in mir ist nicht stark genug dafür.«
Tarind lachte grimmig auf. »Es ist dein Glück, Schmied – und auch das deines Musikantenfreundes, der dir wohl geholfen hat! –, dass ich nur meinen Schildarm benutzen kann und dass mein Schwert noch unter den Trümmern meines ethandin begraben ist. Sonst hätte ich dich bereits ohne Erklärung auf die Jenseitigen Ebenen geschickt, wo du hingehörst!«
Eine feste Hand packte Sinans geflochtenen Zopf und bog ihm den Kopf in den Nacken, zwang ihn so, dem König ins Gesicht zu blicken. Es knackte bedenklich, und Sinan entfuhr ein Schmerzenslaut. Doch insgeheim war er dankbar, dass der Schwertarm des Königs noch verletzt war. Wäre Tarind Norandar im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen, hätte er Sinan bei diesem Zugriff wahrscheinlich das Genick gebrochen.
Der König hatte sich neben ihn gesetzt und legte nun seine Schildhand auf die Brust direkt unterhalb der Kehle des Schmieds. Sein Gesicht entspannte sich, als bereite ihm das, was er nun zu tun gedachte, Freude.
Einen Augenblick später schnappte Sinan
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