Dunkelmond
ein letztes Mal an dem Seil, das die Zweige des Wandschirms miteinander verband, verknotete die losen Enden, sodass die behelfsmäßige Wand nicht in sich zusammenfiel und lehnte sie gegen zwei Bohlen, die das Dach trugen und die Esse begrenzten.
Erst dann sprach er wieder. Über dem östlichen Wald, der bis zum Ufer des Sees reichte, verblassten bereits die Sterne und Sinan musste sich zwingen, nicht zum Lager der Menschen hinüber zu blicken, wo er Berennis bewusstlos zurückgelassen hatte.
Er hatte sich erst von ihr trennen können, als Githalad ihn mit dem Hinweis fortschickte, dass sie alle es würden büßen müssen, wenn Sinan versagte.
»Sag doch, Sinan, warum führt ein Magier des Lebens den Krieg des Königs?«, wiederholte Hedruf.
»Statt dumme Fragen zu stellen, solltest du lieber noch ein wenig Torf stechen gehen!«, erwiderte Sinan streng. Er konnte nicht zulassen, dass Hedruf solche Fragen hier im Heerlager stellte. »Wir müssen die Esse anheizen, bevor die Weiße Sonne aufgeht, und es bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Hedruf schnitt Sinan eine Grimasse, die dieser mit einem grimmigen Lächeln quittierte, und verschwand in Richtung Seeufer.
Sinan wuchtete den Amboss, der beim Erdbeben von seinem Steinsockel gestürzt war, wieder auf den Holzpflock, als der Heermeister die Schmiede betrat.
»Wo ist dein Gehilfe?«
Sinan wollte nicht in das verhasste Gesicht sehen und wandte sich deshalb nicht um. »Er sammelt Torf, wir brauchen Brennmaterial. Er wird bald wieder hier sein.«
Er sah aus dem Augenwinkel, dass der Heermeister kurz nickte.
»Der König hat beschlossen, dir seinen Muskelpanzer zu überlassen. Er ist aus Bronze. Du solltest Kräfte hineinweben können, die vor der gelben und der roten Magie schützen. Zeig uns, wie das geht.«
Sinan antwortete nicht sofort. Er schüttete aus einem grobenSack Holzkohle in die Esse und entzündete sie nicht wie sonst mit Hilfe von Feuerstein und Zunder, sondern sprach halblaut ein paar Worte, sodass das Feuer magisch aufloderte.
»Hast du mich verstanden, Schmied?«
»Ihr sprecht laut und vernehmlich«, gab Sinan zurück. »Und bevor Ihr mich erneut daran erinnert – ich habe nicht vergessen, wozu Ihr und der König imstande seid, sollte ich Eurem Willen nicht gehorchen. Ich werde dem Wunsch Eures Bruders folgen.«
Er nahm den Blasebalg, den Hedruf neben der Esse abgelegt hatte, wo er hingehörte, und fachte das Feuer an. Funken stoben auf.
Telarion Norandar hob die Augenbrauen. »Ich werde bald mit dem König wieder hier sein. Dann solltest du besser bereit sein.«
»Wenn Tarind sehen will, wie ich die Magien des Feuers und der Erde in seine Brünne schmiede, solltet Ihr sie mir schon jetzt geben. Es ist sinnvoller, das Metall leicht anzuwärmen, bevor ich es ziseliere. Sonst zerspringt es bei der Arbeit.«
Der Heermeister nickte. »Die Weiße Sonne wird bald aufgehen«, sagte er. »Ich werde dem König deinen Wunsch mitteilen.«
Er ging, und Sinan suchte unter abgebrochenen Ästen die Schmiede- und Treibhämmer zusammen, die er für eine so feine Arbeit benötigte. Wieder dachte er an Berennis, die bewusstlos auf dem lannon in der Hütte lag. Er machte sich Sorgen um sie. Nicht nur, weil sie nicht mehr aufgewacht war, seit der König sie gegen den Felsen geschleudert hatte.
Den meisten war bekannt, warum Berennis wieder und wieder ins Heerlager ging, auch wenn wenige wussten, wem genau sie dort zu Diensten war. Doch dass Elben ihren Körper missbrauchten, das wussten alle. Und viele, wie Aedan, der Schmiedegehilfe, verachteten sie dafür. Dass er sie zurückgebracht hatte, war für die Gefangenen nun der Beweis, dass sie den Tag über wieder in den Armen eines Elben gelegen hatte.
Sinan konnte nur hoffen, dass Berennis dennoch die nötigePflege zuteilwurde, und wünschte, er hätte dies selbst übernehmen können.
Als Hedruf wiederkam, löste sich Sinan aus seinen trübsinnigen Gedanken. Er durfte sich angesichts der Aufgabe, die vor ihm lag, nicht ablenken lassen. Er forderte Hedruf auf, ihm zu schildern, wie er einen Bronzepanzer der Elben ziselieren und mit den heiligen Sprüchen des Dunklen Mondes versehen würde. Der Heermeister hatte den Panzer des Königs tatsächlich gebracht, und der Junge gab sachkundig wieder, was Sinan ihm beigebracht hatte, auch wenn er hier und da kurz stockte. Seine Feuer- und Erdmagie waren schwächer als die von Sinan, doch er war intelligent und gelehrig und würde Sinan als Schüler gewiss Ehre
Weitere Kostenlose Bücher