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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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machen.
    Langsam wurde es heller draußen, und als die ersten Strahlen der Weißen Sonne über die östlichen Wipfel traten, kam auch der König. Er wurde von seinem Heermeister und Iram Landarias begleitet.
    Sinan hatte Hedruf bereits angewiesen, sich ausschließlich um das Feuer in der Esse zu kümmern, das mit Torf und Holzkohle betrieben wurde. Er hoffte, dass sowohl der König als auch sein Gefolge sich von der Esse fernhalten würden, denn so wenig Liebe die Elben für die Magien der Erde hegten, für das Feuer hatten sie noch weniger übrig. Auch für Hedruf war es das Beste, sich nicht in die Nähe der Elben zu begeben. Die Angst, die sie ausstrahlten, brachte den Jungen auch ohne die heikle Aufgabe, die vor ihnen lag, zum Zittern.
    Tarind Norandar schien es nicht im Geringsten zu stören, dass er beim Schmied oder dessen Gehilfen solche Empfindungen auslöste. Er blieb nicht am Eingang stehen, was Sinan halb erwartet und auch gehofft hatte. Während sein Bruder und Iram Landarias einen gewissen Abstand zu Sinan wahrten, als fürchteten sie einen Angriff oder den rußigen Schmutz der Schmiede, der von der Esse aufgewirbelt wurde, durchmaß der König wortlos die kleine Werkstatt und griff sogar nach einigen von Sinans Werkzeugen.
    Sinan wurde beinahe übel, als er sah, wie dieser Wassermagier mit seinen kalten Händen die Hämmer und Meißel berührte, die er für seine Arbeit brauchte. Um sich abzulenken, wandte er sich der Esse zu. Er warf Hedruf einen aufmunternden Blick zu.
    »Kümmere dich nur um das Feuer«, murmelte er. »Du musst nichts sagen. Du musst auch nicht zu uns schauen.«
    Er griff nach einer der Zangen und zog damit die Brünne, die seit ein paar Minuten im glühenden Torf gelegen hatte, aus den Flammen. Dann legte er sie mit der Wölbung nach unten auf seinen Amboss.
    »Ihr wünscht also Schutzzauber gegen die Magien von Erde und Feuer?«, fragte er laut, weil er das gerne von Tarind selbst gehört hätte.
    Tarind ließ sich Zeit mit der Antwort und schwang einen besonders schweren von Sinans Hämmern durch die Luft.
    Sinan ließ ihn nicht aus den Augen. Er traute dem Elbenkönig nicht. Schon einmal hatte Tarind Norandar arrogant, aber scheinbar gelassen vor den Menschen, die Sinan liebte, gestanden, bevor die Grausamkeit aus ihm hervorgebrochen war. Das Bild, wie dieser Elb seinen Vater quälte, wie er mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung den Kopf des Abtes von den Schultern trennte, schob sich mit Macht vor das innere Auge Sinans, und es kostete ihn immense Anstrengung, es zu verdrängen.
    Es gelang erst, als Sinan sich sagte, dass dies gewiss nicht die letzte Begegnung zwischen Tarind und ihm gewesen war. Und dass beim nächsten Mal er vielleicht die Oberhand erringen würde. Er wusste noch nicht, wie, doch Ys hatte ihn im Namen der Gerechtigkeit hierhergebracht, und sie würde ihm beistehen.
    Aber Ys, gib mir zunächst einmal die Kraft, alles zu tun, um Hedruf und Berennis und die anderen zu schützen. Ich will es besser machen als Siwanon, der zwei hilflose Kinder einfach sich selbst überließ.
    »Mendaron, Ihr wünscht Schutzzauber gegen die Magien derErde und des Feuers, sagte Euer Bruder. Ist das Euer Wille?« Seine Frage kam jetzt drängender.
    Endlich sah Tarind auf und warf Sinan einen verächtlichen Blick zu, als dieser einen der bereitgelegten Treibhämmer und einen feinen Meißel aufnahm.
    »Du nennst dich einen Magier«, sagte er. »Brauchst du Werkzeug, um deine Magie zu entfalten?«
    Sinans Augen verengten sich. »Soll der Schutz bei jedem Angriff wirksam werden, muss er in das Metall gegraben werden. Es reicht nicht aus, einen Zauber nur auf die Oberfläche zu legen«, erklärte er und wandte sich wieder dem Panzer zu.
    Der König schnaubte leise, legte den Hammer beiseite und ging auf die Esse zu, an der Hedruf stand.
    Einen Moment lang musste Sinan die Augen schließen, um erneut die Erinnerung zu verdrängen, die durch die Nähe des Königs entstand. Die Kälte und der feuchte Geruch, der Tarind umgab, stiegen ihm in die Nase und ließen das Bild von Toten, die auf gelbem Granit in ihrem Blut lagen, wieder lebendig werden. Er glaubte, die Blicke aus den kalten, blauen Augen, die abwechselnd auf ihm, auf Hedruf und auf seinen Werkzeugen ruhten, zu spüren wie eisige Windböen im Herbst.
    Mit der feuchten Kälte kam die Angst, das daikon , das der König in dem Waffengehänge an seiner Hüfte trug, könnte genauso schnell töten wie damals im Kloster des Westens.

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