Dunkelmond
Berührung spürte. Telarion wusste, dass er wie eisiger Wind auf sie wirken musste; die samtig schwarzen Schlieren wirbelten für ein paar Herzschläge aufgeregt durcheinander.
Doch das Schankmädchen, das Telarion durch die leuchtend gelbe Flamme sehen konnte, blieb aufrecht sitzen, als spüre es den Frost nicht. Die junge Frau wandte sich auch nicht zu ihm um, sodass Telarion sich fragte, ob ihr bewusst war, dass außer dem König noch ein weiterer Elb hier war.
Der König schwieg auch weiterhin. Er wollte sie mit der Angst zermürben, nicht zu wissen, was weiter mit ihr geschehen würde.
Obwohl Telarion sicher war, dass die brodelnde Wut auf die Dunkle Magie, die Tarind in sich trug, den Sieg davontragenwürde, überraschte ihn die Schankdirne erneut: Sie war die Erste, die einen Laut von sich gab, als der rötliche Lichtkegel, in dem sie gesessen hatte, weitergewandert war. Sie seufzte unhörbar, als bedaure sie den Abschied des Lichts und straffte sich. Wieder sah Telarion nur ihr Profil. Langsam hob sie die Lider und blinzelte, während sich ihre Augen wieder an die Dämmerung gewöhnten.
Sie schien nicht überrascht, als ihr Blick auf den König selbst fiel.
»Warum habt Ihr mich hergebracht, Mendaron?«, fragte sie nach einer Weile.
Sie hatte lange nicht gesprochen, und so klang ihre Stimme rau und trocken. Doch die Worte selbst zeugten von Selbstbewusstsein, so als habe sie das Spiel des Königs durchschaut und weigere sich, es mitzuspielen. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt und darin verschränkt, doch von Telarions Position aus war nicht zu erkennen, wie fest sie das tat.
Tarind hob die Brauen. Telarion spürte, dass der Regen, der in den Seelenteich seines Bruders fiel, heftiger wurde. Doch er beherrschte sich. »Du tätest gut daran, mir mehr Respekt entgegenzubringen, Dirne. Ich bin der König dieser Welt.«
Sie wich seinem Blick nicht aus. »Ich weiß sehr wohl, wer Ihr seid, Tarind Norandar, Sohn des Dajaram«, sagte sie. »Und ich weiß, welchen Rang Ihr beansprucht. Ich kann nicht für die Kinder des Vanar sprechen. Wenn sie Euch als König anerkennen, wer bin ich, mich dagegenzustellen? Doch ich bin ein Mensch. Es gehört nicht zu unseren Sitten, uns Könige zu nehmen oder sie anzuerkennen. Besonders, wenn sie dem Volk des Goldmonds angehören, das uns nicht wohlgesonnen ist.«
Telarion war über die gewählten Worte erstaunt, die so gar nicht zu einer Schankdirne passen wollten. Doch das bestärkte ihn nur in der Ansicht, dass die Identität, unter der sie hier in Bandothi gelebt hatte, eine falsche war. Ihre Feuerkraft sprach dafür, dass der Zaranth von Solife sie hierhergeschickt hatte.
Telarions Verachtung für die Menschenfrau wuchs. Er griff inGedanken tief in den grünen Luftwirbel in seinem Inneren und begann aus den Strömungen darin den ersten Faden zu spinnen, den er für das Netz benötigte, das ihre Kräfte unter seine und Tarinds Herrschaft zwingen würde.
Tarind stand auf und ging langsam hin und her. »Was glaubst du, wer du bist, Dirne?«, fragte er. »Deine verderbliche Feuerkraft steht unter dem Befehl des Dunklen Mondes und des Syth! Ich habe jedes Recht, dich mir zu unterwerfen.«
»Syth ist Schöpfer der Welt, wie auch Ys«, gab sie zurück. »Und als einer allein nicht vollbringen konnte, was sie zu tun wünschten, taten sie es gemeinsam. Und sowohl Akusu als auch Vanar sind ihre Kinder. Ihre Zwillingskinder«, betonte sie. »Wie könnte da einer von beiden über den anderen herrschen?«
»›Von derselben Mutter am gleichen Tag, ja, zur gleichen Stunde geboren‹«, zitierte der König die erste Schriftrolle der Weisen Zwölf. »Wie ich selbst. Auch mein Bruder und ich wurden am gleichen Tag und zur gleichen Stunde von unserer Mutter zur Welt gebracht, und dennoch wurde nur einer von uns der Herrscher.«
Das schien sie nicht zu beeindrucken. »Ich kenne die Gründe nicht, die Euch und nicht Euren Bruder zum Herrscher machten. Doch Ihr wisst sehr wohl, dass Ys die Gaben der Welt gerecht und gleichmäßig unter ihren eigenen Zwillingskindern aufteilte. Sie verbot die Bevorzugung von einem von ihnen und sorgte für Gerechtigkeit. Für jede Gabe, die der Goldmond erhielt, erhielt Akusu ein gleichwertiges Gegenstück. Und so bin ich den Kindern des Vanar Respekt schuldig, denn ohne sie wäre diese Welt nicht, was sie ist. Aber ich bin ihnen – und somit Euch – weder Fron- noch Sklavendienste schuldig. Warum bin ich also hier?«
Tarind fuhr bei ihren
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