Dunkelmond
sie ließ nicht locker. »Ich kann Euch nicht befehlen, Schwager. Aber haltet wenigstens meinen Mann, Euren Bruder, davon ab, sich dieser Hexe auszusetzen!«
Telarion winkte ab. Er hatte genug von der Unterhaltung. »Ich bin nur der jüngere Sohn des Dajaram. Wer bin ich, dem König zu befehlen?«, stellte er fest. »Und nun, Königin, entschuldigt mich. Der Hausvogt erwartet mich, um Anweisungen entgegenzunehmen.«
Er wandte sich zum Gehen, ohne die Antwort der Königin abzuwarten.
Ireti warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Offenbar begriff sie, dass sie nicht auf ihn zählen konnte. »Ich sehe Euch dann heute Abend beim Bankett«, rief sie ihm hinterher, bevor er den Tempelraum verließ. »Ich weiß, dass Tarind Wert auf Eure Anwesenheit legt. Da Ihr dem König ergeben seid, darf ich ihm sicher sagen, dass er mit Euch rechnen kann?«
Telarion nickte und warf ihr noch einen letzten, kalten Blick zu. »Da es sein Wunsch ist, werde ich natürlich daran teilnehmen.«
Dann ging er endgültig und ließ Ireti allein zurück.
Es dauerte ein paar Schritte, bis Telarion sein Gemüt wieder beruhigt hatte. Das Standesbewusstsein der Königin war ihm völlig fremd. Und doch, hier am Hofe fühlte sie sich wesentlich wohler als er. Ihm war das Buckeln der Höflinge ebenso zuwider wie der Zwang zu Gesellschaften und Festen. Auch missfiel ihm die Tatsache, sich als oberster Hausherr, zu dem Tarind ihn ernannt hatte, ständig mit minderen Problemen und – noch schlimmer – mit Kindern des Akusu auseinandersetzen zu müssen.
Das Schlimmste jedoch war, dass es ihm in Bandothi nur selten gelang, durch Meditation so zur Ruhe zu finden, wie er es im Kloster gelernt hatte.
Er wünschte sich wie an jedem Tag, den er im kastron von Bathkor verbrachte, wieder in den Palast der Stürme zurück, wo er ein ruhiges Leben als Adept geführt hatte und hatte tun dürfen, was er als seine ureigene Aufgabe ansah: Leben retten und es heilen.
»Mendaron?« Gomarans Stimme drang in seine Gedanken. »Mendaron, der König wünscht Euch zu sehen, sobald Ihr Eure Meditation beendet habt. Er will die Gefangene erneut verhören und wartet unten vor den Verliesen auf Euch.«
Telarion warf den Kopf in den Nacken. »Es ist manchmal, alskönne er keinen Schritt allein machen!«, rief er aus. »Und dabei ist er der Ältere!«
Gomarans Gesicht ließ bei diesem Ausruf keine Regung erkennen.
Telarion blieb stehen und seufzte. »Ich weiß, du trägst keine Schuld daran«, murmelte er schließlich. »Aber ich wünschte, ich müsste nicht dorthin gehen.«
»Es muss Euch schwerfallen, euch mit dem Inneren einer Dunkelmagierin zu befassen«, antwortete Gomaran nach einer Pause. »Umso höher ist es Euch anzurechnen, dass Ihr ein Menschenkind vom Eis um sein Seelenfeuer und einen Sklavenschmied von einem seiner Halsbänder befreit habt.«
Telarion nickte dankbar, ohne den Hauptmann anzusehen. Die Worte Gomarans taten ihm wohl, dennoch konnten sie den Heermeister nicht vollends beruhigen.
Auf dem Weg zur Folterkammer sprachen die beiden Elben kein Wort, ohne dass ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen geherrscht hätte. Gomaran nickte Telarion noch einmal zu, als dieser sich dem Gewölbe zuwandte, in dem die Gefangenen der hochnotpeinlichen Befragung unterzogen wurden. Er selbst verabschiedete sich, um sich anderen Angelegenheiten zu widmen.
Telarion blieb für einen Moment im Eingang zum Gewölbe stehen, um sich in der plötzlichen Dämmerung zu orientieren. Er war davon ausgegangen, dass sein Bruder ihn hier erwartete, sodass sie gemeinsam zum Kerker der Schankdirne hätten gehen können. Tarind war die Begegnung mit dieser Feuerhexe nicht weniger unangenehm gewesen als ihm.
Doch der König hatte offenbar andere Pläne. Er hatte die Gefangene von zwei Wachen in das Gewölbe bringen lassen, in dem es so früh am Morgen, da die Rote Sonne gerade aufging, am hellsten war. Die beiden Soldaten waren in der Düsternis des Raumes kaum zu sehen. Telarion hatte am Vortag ihre Angst vor der Macht der Feuerhexe gespürt. Nun schienen sie froh, dass der König ihnen befohlen hatte, sich zurückzuziehen.
Die Mitte des großen Gewölbes wurde von einer gemauerten Feuerstelle beherrscht, die sich auf einer Fläche befand, deren Decke etwas niedriger war als die des restlichen Raumes. Nur eine Person befand sich hier: die Gefangene selbst.
Tarind war nirgends zu sehen. In einer Nische an der südlichen Mauer stand jedoch ein geschnitzter Stuhl, den man
Weitere Kostenlose Bücher