Dunkelmond
Hauchdünne Fäden wanden sich spiralförmig um die Flamme herum und glänzten über alldem Farangelb und Braunschwarz in einem geradezu tückischen Grün. Das Grün war kaum zu sehen und doch war es kalt, trocken und fremd.
Sanara erkannte, dass sie bei dem Verhör nicht mit dem König allein gewesen war. Das hier war nicht seine Magie, rasch und heftig wie eine Flut, sondern sanft und doch stetig und kalt wie die Winterluft, die selbst von der Roten Sonne nicht erwärmt werden konnte.
Die Angst, die die Begegnung mit Tarind in ihr ausgelöst hatte, wuchs, als sie vergeblich nach den scheinbar chaotischen Strukturen suchte, die ihr in ihrem Seelenfeuer so vertraut waren.
Es war, als sei sie nicht mehr sie selbst.
Sanara stürzte sich auf ihr inneres Feuer und versuchte, das Netz zu zerreißen, doch es gelang ihr nicht. Es saß fest, und schon nach wenigen Augenblicken musste sie es loslassen, weil es ihre Finger mit seiner Kälte zu verbrennen drohte.
Verzweifelt starrte sie darauf. Wieder versuchte sie, auf ihr Feuer zuzugreifen, den Faden zu verbrennen. Sie war stärker als dieses Ding!
Sie konzentrierte sich, richtete ihre ganze Kraft darauf, die grüne Magie von ihrer Seele zu lösen, doch sie schaffte es nicht, konnte nichts tun. Nichts.
Wieder erklang das schreckliche Lachen und holte Sanara in die Wirklichkeit zurück.
Sie saß wieder auf dem Bett, auf dem alten Rakkarfell, und keine Armlänge von ihr entfernt war das schreckliche Wesen, das sich aus den Nebeln der Jenseitigen Ebenen gebildet hatte und immer wieder bildete.
Der Geist sah sie unverwandt an. Sie hatte trotz der verschwommenen Züge den Eindruck, als lächle er.
Alles, was du bist, deine Magie, deine Kraft, deine Seele, gehört jetzt den Herren von Norad, hauchte er . Und die Tochter Siwanons, des Königsmörders, wird leben – aber in ihren Händen keine Gnade erfahren.
Sanara starrte ihn an.
Sie hatte sich noch nie so klein und wehrlos gefühlt.
»Er ist wunderschön.«
Mojisolas Worte waren kaum zu hören, während seine Finger sanft über die gläserne Waffe strichen, die Sinan ihm gerade gegeben hatte. Der Waffenschmied legte langsam die Zange ab, in der sich ein grob geschmiedeter Brustpanzer für einen von Tarinds Generälen befand, den er gerade bearbeitet hatte.
Doch in diesem Moment kam Githalad heran. »Ich war gerade bei Bertalan, dem Vogt«, sagte der alte Schmied. »Der König will in einem Zehntag nach Solife aufbrechen. Solange wird sein Bruder brauchen, um die Truppen zusammenzurufen und um mit dem Vogt alle nötigen Vorbereitungen zu treffen.«
Erst jetzt fiel ihm auf, dass Mojisola etwas hinter seinem Amboss verbarg. Kurz blitzte Verstehen in seinen Zügen auf, dann nickte er. Sinan erwiderte seinen Blick und stellte sich so in den Eingang, dass keiner der ständig vorbeigehenden Handwerker mitbekam, was er und die anderen zu besprechen hatten.
Sinan hatte sich mit dem dunklen Schmied angefreundet. Auch Ronan, der Musikant, kam nun öfter im Hof des kastrons vorbei, manchmal sang er ein wenig, manchmal erzählte er eine Geschichte. Es kam auch vor, dass er, wenn Sinan, Githalad und Mojisola zu viel zu tun hatten, einen Krug kurimis mitbrachte, den er sich in einer Taverne ersungen hatte, und dann mit ihnen teilte.
Ronan war heute früh hier gewesen, doch nun war er wieder fort. Er hatte kurz mit Mojisola gesprochen und war dann wieder in einer der Tavernen verschwunden, in denen er des Abends aufspielte. Sinan wusste mittlerweile, dass Ronan sich immer in der Nähe des Heers aufhielt, um die neuesten Nachrichten zu erfahren. Er trug Geschichten und Gedichte zur Freude seiner Zuhörer so vor, dass sie das Gefühl hatten, sie hörten sie zum ersten Malund schaffte es sowohl bei den Kindern des Akusu als auch beim Volk des Goldmonds, dass sich das Gemüt entspannte und damit auch die Zunge löste. In den Tavernen hatte er sein Ohr am Puls der Zeit. Ronan war stets bestens informiert, hielt sich aber selbst im Hintergrund. Seine genauen Quellen kannte niemand. Und er verriet auch nur wenig von sich selbst. Ob der Musikant in den Diensten des Zaranthen stand, wusste Sinan nicht. Stellte man ihm diese Frage, beantwortete Ronan sie nur mit einem Lächeln und kam auf ein anderes Thema zu sprechen.
Und so war Sinan vorsichtig geblieben. Eins der Sklavenbänder hatte man ihm abgenommen, und er würde es sich nicht ein zweites Mal anlegen lassen.
Mojisola warf noch einmal einen prüfenden Blick in den Hof, dann legte
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