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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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zu erhaschen, das sich weit unter der Festung ausbreitete.
    Nach Südwesten hin waren die Mauern massiv und mit blauem Marmor verkleidet. Hier gab es kein Fenster, das Lichteinfall oder Lüftung erlaubte. Man hatte die Mauer mit Motiven aus der Zweiten Rolle der Schriften bemalt, die vom Erwachen der Elben erzählte. Sanara nahm die Kunstfertigkeit der Malereien zur Kenntnis, konnte sie aber nicht angemessen würdigen.
    Als sie das erste Mal in diesem Raum aufgewacht war, war es dunkel gewesen. Die blaugrüne, goldumrandete Flamme flackerte im Kamin, ansonsten fiel nur noch eine Ahnung des Lichts der drei Monde durch die Nordfenster in das Gemach, um es zu erhellen. Doch Sanaras erste Erleichterung, dem finsteren Loch entkommen zu sein, in dem sie so lange dahinvegetiert war, wich bald schon der Angst.
    Es war so eisig hier drinnen, dass sie trotz des dicken Fells, auf dem sie lag, zitterte. Ein kalter Luftzug wehte durch das dunkle Zimmer. Für einen Augenblick dachte sie, es sei Winter, und es habe geschneit – etwas, das hier in Bandothi oft jahrelang nicht geschah. Ihre Kleider waren immer noch feucht.
    Es brauchte ein paar Sekunden, bis sie sich daran erinnerte, was geschehen war. Der König hatte sie mit Kälte gequält und sie fast im Wasser, das er beherrschte, ertränkt. Bis er erkannt hatte, dass sie eine Amadian war.
    Wieder schien seine Kälte nach ihrer Seele zu greifen. Ein Netz aus grünlichen Fäden engte ihre innere Seelenflamme ein, und ihr fehlte die Kraft, es zu lösen.
    Ihre Angst wuchs. Wie hatte er das gemacht? Elben besaßenkeine Macht über die Seelen, wie hatte er das also tun können? Es war ein schreckliches Verhör gewesen, er hatte sich nicht damit begnügt, ihren Körper mit kaltem Wasser zu übergießen, ihre Lungen damit zu füllen und ihr das Gefühl zu geben, neben einem glühenden Schwarzsteinbecken zu ertrinken. Immer wieder hatte er dabei seine Kälte wie den Trieb einer Pflanze ausgestreckt und ihre innere Flamme damit berührt, bis sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass er sie endlich sterben ließe, sodass sie nicht mehr diesen schweren, feuchten Geruch von Wasserlilien in der Nase hätte und das Wasser ihr endlich, endlich auch den letzten Überlebenswillen austreibe.
    Doch er hatte sie rechtzeitig losgelassen, um dank ihrer Schwäche das zu entdecken, was sie so unbedingt hatte verbergen wollen: wer sie war.
    Die Tochter des Siwanon.
    Und nun befand sie sich in der Hand ihres größten Feindes. Sie schloss die Augen.
    Ich, der ich ab heute Euer Herr bin, werde Euch nicht eher die Erlaubnis geben, zu sterben, Mendari, bis ich den Mord an Dajaram für gesühnt halte.
    Bei der Erinnerung an die lodernden blauen Augen mit der dunkelgoldenen fremdartigen Pupille, die sie hasserfüllt und triumphierend angesehen hatten, wimmerte sie unwillkürlich auf.
    Es gab Dinge, die schlimmer waren als der Tod. Und Sanara wusste, sich in der Hand von Tarind Norandar zu befinden war eines davon.
    Sie sagte sich, dass es nichts half, wenn sie sich jetzt ihrer Angst hingab. Und doch war am nordöstlichsten Fenster des Gemachs bereits der Morgen zu erahnen, bis Sanara glaubte, wieder halbwegs Herrin ihrer Gedanken zu sein.
    Sie richtete sich auf, doch als ihr Blick durch das Zimmer schweifen wollte, schrie sie vor Schreck leise auf.
    Am Fußende des Bettes, auf dem sie lag, stand der Geist, der sie schon im Verlies besucht hatte.
    Immer noch so ausgezehrt und verschwommen, wurde er von dem strengen Luftzug, der durch die Fenster drang, immer wieder zerrissen und fügte sich nur zögerlich und schwerfällig wieder zusammen. Nur dort, wo sich bei Mensch und Elb die Augen befunden hätten, brannten stetig zwei Funken von einem so tiefen Blau, dass es beinahe violett schien. Düsteres Haar umwehte ein Gesicht, das keiner Person zugeordnet werden konnte.
    Als der Geist sah, dass Sanara erwacht war, glitt er näher an sie heran. Sanara erschauerte und rückte hastig bis an das Kopfende des Bettes. Ihre Muskeln zitterten so stark, dass sie ihnen kaum befehlen konnte. Ob daran die Kälte schuld war, die durch die nasse Kleidung bis in die Knochen drang, die Angst vor diesem Geist oder vielleicht auch nur der Umstand, dass die blaugrüne Flamme im Kamin größer war als im Verlies, vermochte sie nicht zu sagen.
    Wenngleich die Züge keine Anhaltspunkte auf die Person gaben, die hinter dem Gespenst stecken mochte, hatte Sanara doch den Eindruck, dass ihm seine Wirkung auf die Menschenfrau

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